Es ist nicht so, wie es aussieht? Was wirklich in Stellenanzeigen steht

Das Studium ist vorbei, jetzt werden statt Lehrbüchern Stellenanzeigen gewälzt. Die klingen doch fast alle super, oder? Nicht ohne Grund – denn nic...

  • 8. Juni 2020
  • 4 Min. Lesezeit
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Das Studium ist vorbei, jetzt werden statt Lehrbüchern Stellenanzeigen gewälzt. Die klingen doch fast alle super, oder? Nicht ohne Grund – denn nicht nur Bewerber, sondern auch Arbeitgeber verschleiern ihre Schwächen gern mit schönen Worten. So knackst du den Code.

Aufgebaut sind alle Stellenausschreibungen mehr oder weniger gleich: Zuerst wird das Unternehmen kurz vorgestellt, dann die Anforderungen an den Bewerber aufgezählt und zu guter Letzt die Aufgaben gelistet, die auf den neuen Mitarbeiter zukommen. Doch gilt es hier, zwischen den Zeilen zu lesen – denn nicht immer meinen die Anzeigen auch das, was sie sagen.

Die Qualifikation: Nicht abschrecken lassen

Besonders für Absolventen (fast) ohne Berufserfahrung ist der Teil mit den gewünschten Qualifikationen der Erzfeind. Allzu viele Arbeitgeber scheinen auf der Suche nach der berüchtigten eierlegenden Wollmilchsau. Allerdings wissen sie genau so gut wie du und ich, dass die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht existiert. Für dich heisst das: Es ist Zeit, das «Muss» vom «Kann» zu trennen.

Alle Punkte, die Ausdrücke  wie «idealerweise», «gerne» oder «von Vorteil» enthalten, kannst du erst einmal aussen vor lassen. Komm aber unbedingt im Anschreiben darauf zurück, wenn du über diese Qualifikationen verfügst, das sind Pluspunkte für dich! Normalerweise sind die Anforderungen von absolut notwendig bis optional von oben nach unten geordnet – kannst du bei der ersten Hälfte Haken machen, kannst du dich auf jeden Fall bewerben! Erfüllst du 80 Prozent der Anforderungen, bist du in der Regel bestens für die Stelle geeignet.

Ausserdem: Mehr als eine Absage kannst du nicht bekommen. Wenn du dich gar nicht erst bewirbst, bekommt du den Job sicher nicht. Und selbst wenn es für die ausgeschriebene Stelle nicht reicht – oft fragen Unternehmen, ob sie die Unterlagen behalten und auf Bewerber zurückkommen dürfen, wenn sie in der Zukunft eine andere Stelle zu besetzen haben.

Gut gesagt ist nicht immer gut gemeint

Du wirst bei der Jobsuche schnell merken, dass einige Ausdrücke und Formulierungen immer wiederkehren – verständlicherweise solche, die für Bewerber besonders vielversprechend klingen sollen. Hier solltest du wissen, dass oft etwas anderes dahintersteckt, als man auf den ersten Blick meinen mag.

Das oft genannte «dynamische» Unternehmen etwa klingt nach kurzen Entscheidungswegen, Experimentierfreudigkeit und Spass. Das mag auch alles zutreffen, beinhaltet oft aber auch meterhohe Aufgabenstapel und nicht zu knappe Überstunden.

Sind «erste Erfahrungen» in einem Bereich gefordert, solltest du dich darauf einstellen, dass von dir die gleiche Leistung wie von langjährigen Mitarbeitern gefordert wird. Das ist dahingehend von Vorteil, dass du hier wahrscheinlich einen hohen Lerneffekt hast. Allerdings solltest du kein Problem damit haben, wenn du für gleiche Arbeit weniger Gehalt bekommst als alte Hasen.

Werden «Organisationstalente» gesucht, stell dich auf tendenziell chaotische Zustände ein, in denen du dich zurechtfinden musst. Die beliebte «Belastbarkeit» deutet oft darauf hin, dass du mehr erledigen sollst, als eigentlich zu schaffen ist. Hier solltest du dich nur bewerben, wenn du gut mit Stress umgehen kannst.

Hinter «Sie lieben Abwechslung?» verbirgt sich oft eher «Sie möchten sich gerne um alle möglichen anfallenden Aufgaben kümmern, die gerade sonst niemand erledigen will?», und mit «Sie arbeiten in enger Abstimmung mit xy» hat schon manch einer «Sie tun, was Ihnen aufgetragen wird» übersetzt.

All das heisst nicht, dass du dich auf Stellenanzeigen, die diese Formulierungen enthalten, nicht bewerben sollst - dann würden nicht viele übrig bleiben. Aber stell dich für alle Fälle auf die möglichen «Übersetzungen» ein und versuch im Falle einer Einladung beim Vorstellungsgespräch rauszufinden, was wirklich dahintersteckt.

Grosse Anzeige, grosse Erwartungen

Auch die Optik einer Anzeige kann einiges über das Unternehmen aussagen. Investiert eine Firma in eine halbseitige Printanzeige, kannst du davon ausgehen, dass sich das Unternehmen sehr wichtig nimmt und dementsprechend viel vom Bewerber erwartet. Das bedeutet, dass du in der Regel schon eine ganze Menge Qualifikationen mitbringen musst, um bei solchen Unternehmen zu punkten.

Allerdings kann man auch davon ausgehen, dass ein Unternehmen, das sich kostenintensive Stellenanzeigen leistet, auch beim Gehalt nicht geizt. Das wiederum ist auch anderen klar: Stell dich also auf grosse Konkurrenz ein.

Wenn Online-Anzeigen durch ausgefallene Grafik herauszustechen versuchen,  kommt es auf den Absender und die Umsetzung an: Einem Unternehmen, das sich als seriös bezeichnet, dessen Anzeige aber chaotisch und stümperhaft umgesetzt ist, solltest du vielleicht eher skeptisch gegenüberstehen. Wenn eine Firma hingegen Wert auf eigene Ideen, Kreativität und einen lockeres Betriebsklima legt und dies durch eine frisch, aber professionell designte Anzeige auch rübergebracht wird, wirst du sofort merken, dass sie so einen glaubwürdigen und sympathischen Eindruck hinterlässt.

Wie so oft im Leben gilt auch bei der Jobsuche: Du kannst dir nie hundertprozentig sicher sein, was dich erwartet. Schick im Zweifel lieber eine Bewerbung mehr als weniger raus und schau dir die Unternehmen live und in Farbe an. Nutz typische Phrasen in der Stellenanzeige für Fragen im Vorstellungsgespräch – so schaffst du Klarheit und sammelst ausserdem Pluspunkte, weil du zeigst, dass du an der Arbeit im Unternehmen ehrlich interessiert bist.