«Man muss manchmal einfach frech sein» – David Sidler, Investiere

Vom Studium der Mittelaltergeschichte in die Start-up-Finanzierung: David Sidler hat uns erzählt, warum es nicht nur auf die Studienrichtung ankomm...

  • 30. September 2020
  • 6 Min. Lesezeit
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Vom Studium der Mittelaltergeschichte in die Start-up-Finanzierung: David Sidler hat uns erzählt, warum es nicht nur auf die Studienrichtung ankommt und welche anderen Qualifikationen gute Mitarbeiter ausmachen.**

David Sidler ist Head of Communications bei investiere

David Sidler Head of Communications investiere | Verve Capital Partners AG

Herr Sidler, worauf achten Sie bei Bewerbungen? Haben Sie Tipps für Bewerber?
Eine Bewerbung sollte immer vollständig sein. Ein klar strukturiertes CV ist für mich auch sehr wichtig. Und ich schätze kurze Bewerbungen: vielleicht eine oder maximal zwei Seiten. Ausserdem sollte es sich nicht anfühlen wie eine Standardbewerbung, die bereits 20-mal genau so rausgeschickt wurde. Man sollte zeigen, dass man sich damit auseinandergesetzt hat, was wir machen und zeigen, warum man sich genau bei uns bewirbt – das hilft immer.

Gibt es etwas Bestimmtes, womit man Ihr Interesse gewinnt?
Schwer zu sagen. Aber klar, man muss irgendwie auffallen. Wie genau, dafür gibt es keine Regeln. Für Praktikumsstellen kriegen wir beispielweise wirklich sehr viele Bewerbungen – da zu sagen, dass ein Kandidat wirklich auffällt oder heraussticht, ist schwierig. Ich denke, da muss man als Bewerber einfach kreativ sein, sich wirklich Gedanken über die eigenen Vorteile und Stärken machen – und diese dann in der Bewerbung so gut wie möglich zum Ausdruck bringen. Ich denke, dass es da keine allgemeingültige Antwort gibt – jeder sollte sich selbst damit auseinandersetzen und versuchen, die eigenen Vorteile so gut wie möglich herauszustellen.

Wie ausschlaggebend sind Noten, Qualifikationen und Studienrichtungen bei Ihnen?
Bei Studienrichtungen sind wir ziemlich offen. Von einem Geschichts- oder naturwissenschaftlichen Hintergrund lassen wir uns ebenso überzeugen wie von einem Finanzhintergrund. Noten sind natürlich wichtig, aber sie sind nicht das A&O. Das ist einer von vielen Faktoren: wichtig, aber nicht alles.

Googeln Sie Bewerber, bevor Sie sie zum Gespräch einladen?
Ja.

Gibt es da Ausschlusskriterien?
Bisher ist noch nie passiert, dass wir etwas über einen Kandidaten erfahren haben, das uns davon abgehalten hat, ihn zum Bewerbungsgespräch einzuladen. Wenn sich jemand zum Beispiel rassistisch im Internet äussert, wäre das selbstverständlich ein Ausschlusskriterium. Darüber hinaus ist es schwierig zu sagen.

Gibt es eine Frage oder Aufgabe im Bewerbungsgespräch, die Sie immer stellen?
Kandidaten, die sich um ein Praktikum im Investmentteam bewerben, müssen im Interview eine Case-Study bearbeiten – diese Aufgabe kommt wirklich immer. Die Bewerber bekommen die Zusammenfassung eines Businessplans und müssen anhand dessen eine Entscheidung treffen: Würden sie das Unternehmen als Investition vorschlagen oder nicht?

Sie müssen auch aufzeigen, welche zusätzlichen Informationen und welche Daten sie haben möchten und auf welche Themen sie eingehen würden. Anhand der vorliegenden Informationen ist dann einzuschätzen, was die grössten Risiken einer Investition sind.

In welchen Bereichen werden bei investiere Praktika angeboten?
Praktika sind immer im Investmentteam: Investitionen sind der Hauptbereich, für den wir immer Praktikanten suchen. Hier geht es darum, dass der ganze Prozess der Finanzierung von A bis Z glatt läuft: Von der Auswahl der Start-ups, die finanziert werden sollen, über Finanzierungsrunden und die Kommunikation mit den Investoren bis hin zum Versand der Dokumente, der Überweisung des Geldes und dem Notartermin. Das alles unterstützen Praktikanten und Einsteiger bei uns.

Weshalb sollten sich Studenten und Absolventen bei investiere bewerben?
Einer der grössten Vorteile ist, dass wir ein kleines, junges Unternehmen sind. Das heisst, dass wir Personen, denen wir vertrauen, sehr schnell sehr viel Verantwortung übertragen. Wenn man sich als Student bei uns für ein Praktikum oder eine Einstiegsstelle bewirbt und sich durch gute Arbeit, Sorgfalt etc. beweist, dann hat man die Möglichkeit, viel Verantwortung übertragen zu bekommen und kann dementsprechend auch sehr viel lernen.

Welche Qualitäten und Qualifikationen sollten Bewerber mitbringen, die sich bei investiere bewerben?
Man muss schnell auf den Füssen sein. Zum Beispiel sollte man in einer Interview-Situation auch spontan auf schwierige Fragen antworten können. Analytische Fähigkeiten sind natürlich auch sehr wichtig. Immerhin geht es bei uns um Start-up-Bewertungen: Wir suchen Jungunternehmen aus, die wir finanzieren wollen. Da muss ein Bewerber in der Lage sein, sich schnell in ein Thema einzulesen und schnell zu verstehen, was die Schlüsselfragen sind. Soft-Skills sind auch sehr wichtig, da man bei uns viel Kontakt mit Menschen hat. Weiss man, wie man sich im Einzelfall zu verhalten hat? Passt man den Ton richtig an? Das ist sehr wichtig bei uns.

Wem empfehlen Sie den Einstieg bei investiere? Was für Mitarbeiter suchen Sie?
Wir brauchen auf jeden Fall Leute, die sich für Start-ups interessieren. Darüber hinaus ist es schwierig, ein genaues Profil zu beschreiben. Da es bei uns ja um Finanzierungen geht, sind einerseits immer Menschen mit Wirtschaftskenntnis von Interesse, zum Beispiel mit einem BWL- oder VWL-Hintergrund.

Auf der anderen Seite ist auch technisches Wissen wichtig – zum Beispiel können Ingenieure und Wissenschaftler inhaltlich sehr viel bei uns beitragen. Darüber hinaus haben aber auch Leute mit einem eher interdisziplinären oder ungewöhnlichen Hintergrund eine Chance bei uns. Ich zum Beispiel habe Mittelaltergeschichte, Islamwissenschaften und internationale Beziehungen studiert, das hat also nichts mit dem Thema an sich zu tun. Eigentlich sind wir da ganz offen.

Wenn man keinen Wirtschafts-Hintergrund hat, woher bekommt man das nötige Wissen über Finanzierungen?
Start-up-Finanzierung ist ein sehr praktischer Teil von Finanzen, in den man sich ziemlich schnell einlesen kann. Wir werfen unsere Praktikanten zwar gerne ins kalte Wasser – dann lernt man am besten –, aber wir unterstützen sie auch laufend. Ein Praktikant, der bei uns anfängt, wird wirklich durch den ganzen Prozess geführt. Es gibt interne Dokumentationen, in denen die Prozesse geschildert werden, und wir liefern auch genug Material zum Einlesen. Wenn man Interesse für das Thema Start-up-Finanzierung und eine schnelle Auffassungsgabe mitbringt, findet man sich gut in die Materie ein.

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Welche Vorteile bietet ein kleines Unternehmen wie investiere im Vergleich zu einem Grosskonzern?
Die klassischen: Flache Hierarchien zum Beispiel. Wir duzen uns hier auch vom ersten Tag an mit dem CEO. Ausserdem kann man sehr schnell viel Verantwortung übernehmen – wenn man sich beweist. Und man hat vielfältige Tätigkeiten. In einem kleinen Unternehmen muss jeder mal mithelfen. Man sitzt also nicht im Büro und beschäftigt sich die ganze Zeit mit einem einzigen Thema, sondern muss viele verschiedene Sachen machen. Das empfinde ich auch als Vorteil.

Was schätzen Sie persönlich besonders an investiere als Arbeitgeber?
Ganz besonders schätze ich meine Kollegen. Ich arbeite mit sehr offenen, unkomplizierten und intelligenten Menschen zusammen.

Welche Qualifikationen werden Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen?
People-Skills oder Soft-Skills sind nicht zu unterschätzen. Auch Sprachen sind immer wichtig. Für uns muss ein Praktikant oder Einsteiger zumindest zweisprachig, wenn nicht sogar dreisprachig sein. Auch technische Skills sind sehr wichtig. Zum Beispiel sind Marketing und Kommunikation heute nicht mehr so einfach wie früher, als man lediglich Texte geschrieben hat, die dann publiziert wurden. Heute gehört zum Beispiel auch Tracking dazu. Daten- und IT-Affinität werden immer wichtiger.

Was möchten Sie heutigen Studierenden noch mit auf dem Weg geben?
So viel freie Zeit wie im Studium wird einem im Leben lange nicht mehr zur Verfügung stehen, deshalb sollten sie diese Zeit nutzen – und zwar nicht nur, um in die Ferien zu fahren, sondern auch dazu, frühzeitig ein Praktikum oder Ähnliches zu machen. So kann man schon während des Studiums herausfinden, was einem gefällt und schon Praxiserfahrung sammeln.

Und generell sollte man keine Angst davor haben, sich zu bewerben – auch wenn man das Gefühl hat, nicht die richtigen Qualifikationen für die Stelle zu haben. Man muss auch nicht immer warten, bis etwas ausgeschrieben wird, sondern kann auch einfach mal Initiativbewerbungen schreiben; die Firmen kontaktieren, die man cool findet, ihnen sagen, warum man sie cool findest und wieso man dort eine Chance haben will.

Und schliesslich auch keine Angst davor haben, sein Netzwerk für Bewerbungen zu nutzen. Eine Intro durch einen Bekannten hilft immer: Da muss man manchmal einfach frech genug sein und die Leute um Hilfe bitten.