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Kein Bewerbungsgespräch ohne die Günther-Jauch-Frage: Rolf Walser, Nexus AG

Seit über 20 Jahren rekrutiert Rolf Walser, CEO bei Nexus, Fachpersonal für den IT-Bereich. Im Interview erklärt er, warum er an traditionellen Bew...

  • 17. November 2020
  • 7 Min. Lesezeit
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Seit über 20 Jahren rekrutiert Rolf Walser, CEO bei Nexus, Fachpersonal für den IT-Bereich. Im Interview erklärt er, warum er an traditionellen Bewerbungsprozessen festhält und verrät die häufigsten Fehler in Anschreiben, CV und Vorstellungsgespräch.

Rolf Walser, Geschäftsführer Nexus AG

Herr Walser, Sie verfügen über langjährige Erfahrung im Personalvermittlungsbereich. Wie gewinne ich in einer Bewerbung die Aufmerksamkeit des Recruiters?
Zu allererst mit einer sauber gestalteten, gut strukturierten Bewerbungsmappe mit einem persönlichen Anschreiben. Es passiert häufig, dass Bewerber ihr Anschreiben mit der unpersönlichen Anrede «Sehr geehrte Damen und Herren» beginnen – das kommt nicht so gut an. Dasselbe gilt für ein Anschreiben, bei dem zu weit ausgeholt und zu wenig Bezug auf die Stelle genommen wird. Man sollte bereits im Anschreiben drei bis vier Punkte auflisten, weshalb man sich genau für die offene Stelle interessiert und sich für geeignet hält. Kurz: Das Anschreiben muss klar machen, warum man sich bewirbt.

Natürlich gehört auch der Lebenslauf als separate Datei dazu: Dieser sollte gut strukturiert sein und ein ansprechendes Foto beinhalten, auf dem der Bewerber in guter, passender Kleidung vor einem natürlichen Hintergrund zu sehen ist.

Der dritte Teil der Bewerbung sind die Zeugnisse, die in einer Datei zusammengefasst werden sollten. Wenn eine solch klare Struktur gegeben ist und das Anschreiben gut ist, gewinnt man mit Sicherheit Aufmerksamkeit.

Gibt es sonst noch typische Fehler, die Ihnen bei Bewerbungen oder Vorstellungsgesprächen regelmässig auffallen?
Viele Bewerber haben ein unglückliches Timing beim Vorstellungsgespräch. Manche erscheinen viel zu früh – es ist sehr mühsam für Firmen, wenn ein Kandidat schon eine halbe Stunde vor dem Termin im Empfangsraum sitzt. Zum einen macht das Druck, weil man natürlich niemanden warten lassen möchte; zum anderen kann es besonders bei kleineren Firmen der Fall sein, dass der Bewerber nicht korrekt empfangen werden kann, weil gerade keine zuständige Person verfügbar ist.

Ganz schlimm ist es natürlich, wenn jemand zu spät kommt oder sogar überhaupt nicht auftaucht. Solche «No-shows» habe ich im letzten Jahr zwei oder drei Mal erlebt: Das hinterlässt einen bleibenden schlechten Eindruck und der Bewerber muss wirklich gute Argumente haben, warum er nicht erschienen ist. Pünktlichkeit ist das A und O. Auf keinen Fall zu spät und maximal zehn Minuten zu früh kommen – damit kann man als Bewerber nichts falsch machen.

Der zweite Punkt ist unpassende Kleidung. Wir erwarten von Kandidaten nicht, dass sie in Anzug und Krawatte erscheinen – ordentliche, saubere Kleidung hingegen schon. Es darf auch ruhig in Richtung Casual gehen, aber eben nicht völlig ungeeignet sein – etwa eine Motorrad-Lederkombi, die ich letztes Jahr bei einem Bewerber erlebt habe.

Im Interview selbst merkt man oft, dass Bewerber ihre Antworten stark einstudiert haben, wodurch das Gespräch seine Natürlichkeit verliert. Ausserdem sind Standardantworten wirklich nicht überzeugend – etwa die typischen Schwächenprofile mit Ungeduld und Perfektionismus. Das hat man einfach schon viel zu oft gehört.

Hier sehe ich tatschlich die häufigsten Fehler: Bei der Pünktlichkeit, der Kleidung und einstudierten Antworten. Fehlende Lockerheit gehört auch dazu. Sicherlich ist ein Bewerbungsgespräch immer auch eine Stresssituation, aber man sollte trotzdem versuchen, möglichst natürlich zu bleiben.

Können Sie uns auch ein Beispiel von einem Vorstellungsgespräch nennen, das Ihnen als besonders positiv in Erinnerung geblieben ist?
Ja, das war erst vorgestern der Fall. Der Kandidat kam in korrekter Kleidung und auf sehr offene Art auf mich zu. Und er hatte einen Schreibblock dabei, was mich besonders gefreut hat, da man es eher selten sieht. Vielmehr habe ich schon erlebt, dass Bewerber mich im Vorstellungsgespräch fragen, ob ich einen Kugelschreiber für sie habe. Umso positiver empfand ich diesen Kandidaten, der sich schon im Vorfeld ein paar Fragen notiert hatte und diese Liste während des Gesprächs ergänzt hat. Die offenen Fragen konnten wir so zum Schluss noch besprechen.

So positiv es aber auch ist, wenn sich ein Bewerber Fragen notiert: Bitte nicht übertreiben! Wenn man einen ganzen Fragenkatalog mitbringt und diesen dann krampfhaft vorträgt, ohne zu interagieren, ist der positive Eindruck schnell dahin. Am besten ist es, die wesentlichen Fragen vorbereitet zu haben und mit dem Gesprächspartner einen offenen Dialog zu führen,

Also erwarten Sie auch ein Stück weit Eigeninitiative?
Ja, man darf nicht nur dasitzen und Informationen konsumieren, sondern sollte sich auch aktiv und mit eigenen Fragen ins Gespräch einbringen. Nur so kann ein interessantes Gespräch entstehen. Es sollte keine Einbahnkommunikation sein.

Haben Sie eine Lieblingsfrage im Bewerbungsgespräch?
Ja, die sogenannte Günter-Jauch-Frage: Wenn es um viel Geld geht und er die Begleitung bittet, etwas über den Kandidaten auf dem Stuhl zu erzählen. Fragt man im Vorstellungsgespräch zum Beispiel nach den Stärken und Schwächen des Bewerbers, bekommt man oft Standard-Antworten. Stellt man aber die Frage «Was würde Ihr bester Freund über Sie sagen?», hilft das dem Kandidaten, eine Aussensicht einzunehmen und es kommen in der Regel viel natürlichere, erfrischendere Antworten.

Wie sieht der Arbeitsalltag in einer Personal-Unternehmensberatung aus?
Der typische Arbeitstag ist immer intensiv, mit sehr vielen Interaktionen. Da ist zum einen die Kundenseite: Die Kunden wollen natürlich um den Status der Suche wissen, ob wir geeignete Kandidaten gefunden haben und wann wir sie ihnen präsentieren.

Auf der anderen Seite sind dann die Bewerbungen. Die Unterlagen, die wir täglich per Mail erhalten, werden von den Beratern gesichtet und beurteilt. Auf dieser Grundlage laden wir dann Kandidaten ein. Das Management dieses gesamten Bewerbungsprozesses ist sehr intensiv.

Neben all diesen Interaktionen mit Kandidaten und Kunden gibt es natürlich auch noch interne Aufgaben: Das Erstellen von Dossiers, das Ausarbeiten von Stellenprofilen, die Publikation von Stellen. Und typischerweise haben unsere Personalberater ein bis zwei Gespräche am Tag – ein vergleichsweise übersichtlicher Durchschnitt.

Sie sind spezialisiert auf IT-Fachleute – keine leichte Aufgabe im Moment. Wie erreichen Sie die richtigen Personen?
Auch in unserem 21. Geschäftsjahr sind wir noch recht traditionell unterwegs. Wir betreiben kein Headhunting, sondern machen unsere Ausschreibungen vor allem auf unserer eigenen Website, die ist gut frequentiert ist. SEO ist bei uns ein grosses Thema, um bei Google eine gute Position zu haben. Dazu inserieren wir natürlich in branchenspezifischen Portalen wie itjobs.ch, wo wir ein grosses Publikum ansprechen können und wo sich auch das Fachpublikum tummelt. Auch in den Social Media-Kanälen und im Hochschulmarketing sind wir aktiv: Wir sind bei den wichtigsten Messen, Tagungen und Vorträgen präsent, um die Kandidaten möglichst früh direkt nach der Ausbildung anzusprechen, damit wir diese jungen Leute möglichst für uns gewinnen können.

Haben Quereinsteiger aufgrund des Fachkräftemangels im IT-Bereich bessere Chancen als früher?
Nein, leider nicht. Vor zehn bis 15 Jahren gab es die Situation, wo auch Quereinsteiger den Weg in die IT fanden. Diese Fälle wurden aber immer seltener; heute gibt es praktisch keine Quereinsteiger mehr. Das hängt vor allem mit den guten Ausbildungen zusammen, sowohl im System- als auch im Softwarebereich. Es gibt also 20-jährige, die sehr gute Kenntnisse mitbringen, aber noch ein vergleichsweise niedriges Lohnniveau haben. Und eben das ist der Knackpunkt: Für viele Quereinsteiger würde eine Wechsel in den IT-Bereich Lohneinbussen mit sich bringen – was gegen diesen Schritt spricht. Dazu kommt, dass es immer schwieriger wird, fachlich konkurrenzfähig zu sein. Das Zusammenspiel aus diesen beiden Faktoren ist der Grund, weshalb wir fast keine Quereinsteiger mehr haben.

Wie wird sich ihrer Meinung nach der Bewerbungsprozess in den nächsten zehn Jahren verändern?
Ich glaube nicht, dass er sich extrem verändern wird. Es ist nach wie vor ein People Business: Der Kandidat hat mit Personalverantwortlichen zu tun und umgekehrt. Wenn man hier zu stark automatisiert, birgt das Nachteile, die darauf herauslaufen können, dass die Qualität schlechter wird. Schauen Sie sich beispielsweise die Talent Pools grösserer Firmen an: Ein Kandidat registriert sich hier und bekommt in der Regel nichts ausser einer Bestätigungsmail; vor allem keine Ansprechperson. Wenn der Zufall so will, sieht jemand aus dem Unternehmen sein Profil und meldet sich bei ihm – das kann aber auch erst nach Monaten der Fall sein.

Hier sieht man die Schwierigkeiten, die zu viel Anonymität im Prozess für beide Seiten birgt: Der Bewerber weiss nicht, ob oder wann er eine Antwort erhält, und der Arbeitgeber muss damit rechnen, dass ein Kandidat schon eine Stelle gefunden hat, wenn er ihn erst nach längerer Zeit kontaktiert.

Deshalb bleibt es für uns dabei: Ein persönlicher Bezug ist für beide Seiten sehr, sehr wichtig. Wir wollen die Leute in ein persönliches Gespräch nehmen, sehen, wie sie auftreten und sich verhalten – ein Interview über Telefon oder Skype kann das nicht erfüllen, da geht viel verloren. Und nicht zuletzt ist es auch für den Bewerber viel einfacher, wenn er eine Kontaktperson auf Firmenseite hat; dass er nachfassen kann und über den Status seiner Bewerbung Bescheid weiss. In einem anonymen Bewerbungsprozess wird ihm diese Chance gar nicht erst gegeben.