Abenteuer Auslandserfahrung

Regula Bleuler, 38, ist Senior Consultant Executive Search bei Stanton Chase International. Nach der Matura in Zürich machte sie die Ausbildung zur...

  • 11. Februar 2020
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Regula Bleuler, 38, ist Senior Consultant Executive Search bei Stanton Chase International. Nach der Matura in Zürich machte sie die Ausbildung zur eidg. dipl. Tourismus-Fachfrau an der IST. Ihren ersten Job nach der Ausbildung hatte sie als Product Manager E-Commerce bei der Swissair. Über das Arbeiten im Ausland die Bedeutung interkultureller Kompetenz.

Regula Bleuler

Die Globalisierung der Weltgesellschaft schreitet voran. Neue Technologien fordern von den Arbeitnehmern eine nie dagewesene Beschleunigung, Komplexität und Transparenz sind enorm. Die Grenzen verwischen, einzelne Länder und Regionen wachsen zu neuen Märkten zusammen, die demografischen und sozialen Strukturen transformieren sich ständig. Der richtige Umgang mit Geschäftspraktiken und Mentalitäten anderer Kulturen, die so genannte interkulturelle Kompetenz, ist daher von grösster Bedeutung. Ein Auslandsaufenthalt bringt deshalb nicht nur wertvolle persönliche Erfahrungen, sondern verbessert – je nach Position – auch die Karrierechancen.

Interkulturelle Kompetenz bedeutet emotionale Kompetenz, Respekt und Empathie, das Verstehen der Unterschiede der verschiedenen Kulturen und der richtige Umgang damit. Als Beispiel: Japaner würden nie in einer Geschäftsverhandlung ein schroffes Nein oder Kritik äussern. Ein Nicken mit dem Kopf oder ein «yes» bedeutet deshalb noch keine Zustimmung. In solchen Situationen heisst es, die persönlichen Grundannahmen zurückzustellen, die eigene «Brille» abzulegen und die Fähigkeit zu entwickeln, Situationen richtig zu beurteilen und dementsprechend zu reagieren.

Interkulturelle Kompetenz bedeutet jedoch nicht, die Werte einer anderen Kultur zu adaptieren oder seine eigenen Werte aufzugeben. Vielmehr geht es darum, sich selbst treu zu bleiben und gleichzeitig die Andersartigkeit des Ge-genübers zu verstehen und sich entsprechend zu verhalten. Fremdsprachen zu sprechen ist dabei nicht unbedingt von zentraler Bedeutung. Sprachen kann man wie mathematische Formeln lernen, auch ohne sich mit der Lebenswelt des anderen Sprachraums gross auseinanderzusetzen. Essenziell für die Entwicklung interkultureller Kompetenz ist es vielmehr, die Unterschie-de der jeweiligen Kulturen im täglichen Leben zu erleben. Interkulturelle Kompetenz lässt sich nicht in einer Schnellbleiche aneignen. Um Erfahrungen mit einer anderen Kultur, den Traditionen und der Religion zu machen, braucht man mehr Zeit.

Dafür, wie man «seinen» Job im Ausland findet, gibt es keine goldene Regel. Auch wenn die Schweizer in der EU faktisch freien Zugang zu den Arbeitsmärkten haben, so erschwert die hohe Arbeitslosigkeit in vielen Ländern die Jobsuche oft erheblich. In den USA oder anderen Nicht-EU-Staaten ist es häufig noch um einiges komplizierter.

Die Arbeitsbedingungen im Ausland sind so verschieden wie die einzelnen Länder selbst. Eine gewisse Risikobereitschaft ist unabdingbar. Arbeitsverträge mit ausländischen Arbeitgebern richten sich nach den Gesetzen und Instanzen des betreffenden Gastlandes. So variieren Arbeitszeiten, Lohn, Anzahl der Ferientage, Steuern und andere Leistungen wie z. B. Sozialleistungen. Es empfiehlt sich genau abzuklären, welche Versicherungen man allenfalls in der Schweiz beibehalten soll und wie hoch die effektiven Lebenskosten sind, respektive der Netto-Netto-Vergleich.

In fast allen Staaten der Welt benötigt man eine Arbeitsbewilligung. Diese wird in der Regel nur erteilt, wenn bereits ein Arbeitsvertrag vorliegt. Es ist ratsam, mit der Stellensuche früh zu beginnen, denn die Erteilung einer Arbeitsbewilligung kann in manchen Ländern Monate dauern. Wann immer möglich, sollte man im Vorfeld mit einer Person sprechen, die sich mit den lokalen Gegebenheiten gut auskennt. Viel einfacher ist es, firmenintern ins Ausland zu wechseln. Dafür braucht man aber in den meisten Fällen einige Jahre Berufserfahrung im Unternehmen. Die Konditionen sind in der Regel attraktiver als bei einem lokalen Vertrag, jedoch werden all-inclusive Expat Packages aus Kostengründen immer seltener.

Wichtig ist, dass man sich bereits im Vorfeld intensiv mit dem Gastland, dessen Kultur und Religion, aber auch mit sich selbst und seinen eigenen Wünschen und Zielen auseinandersetzt. Was in den Ferien als spannend und exotisch erlebt wird, kann im täglichen (Berufs)Leben schnell einmal so richtig ans Nervenkostüm gehen und einen an den Rand der Verzweiflung bringen. Wenn man keinen Menschen kennt, nichts wie zuhause funktioniert und sich jeder Tag wie ein erster Schultag anfühlt, wenn die Internetverbindung regelmässig nicht funktioniert, das Roaming Unsummen kostet, die Zeitverschiebung und die langen Arbeitstage Gespräche mit den Liebsten verunmöglichen, die Bürokratie einen für das Umschreiben des Fahrausweises einem Nervenzusammenbruch nahebringt und man bei einer Aussentemperatur von 49 Grad in langarmigen Büroklamotten und Nylons anstatt in Top und Flipflops vor sich hin schwitzt, dann kann man durchaus kurz den Mut verlieren. Nebst viel Abenteuerlust, Enthusiasmus und Optimismus ist deshalb auch eine grosse Portion Realismus und viel Humor nötig, damit das «Projekt Auslandsaufenthalt» zu einem unvergesslichen und wunderschönen Erlebnis wird.

Meine beiden Auslandsaufenthalte – ein Jahr in Los Angeles, USA, sowie ein Jahr in Abu Dhabi, United Arab Emirates, – waren etwas vom Besten, was ich in meinem Leben unternommen habe. Sie haben mich und mein Weltbild nachhaltig geprägt. Auch wenn es durchaus nicht immer einfach war, so möchte ich sie nicht missen und kann jedem nur empfehlen, diese Erfahrung auch zu machen.

Weitere hilfreiche Infos finden sich auf der Website des EDA, www.eda.admin.ch

Dieser Beitrag ist in der GIRLS DRIVE Ausgabe 8 (Frühling 2015) erschienen.

Bild: Stanton Chase International