Taktieren im Beruf? Ja, Bitte!

Regula Bührer Fecker, zweifache Werberin des Jahres und Autorin von #Frauenarbeit, spricht Klartext über ihren ganz eigenen Karriereweg. Sie will d...

Regula Bührer Fecker, zweifache Werberin des Jahres und Autorin von #Frauenarbeit, spricht Klartext über ihren ganz eigenen Karriereweg. Sie will damit junge Frauen unterstützen, die in der Berufswelt so richtig durchstarten wollen.

Persönlicher Karriereweg

Können Sie Ihren Karriereweg kurz zusammenfassen?

Während des Gymnasiums habe ich in den unterschiedlichsten Branchen gejobbt und so in Freizeit und Ferien beruflich einiges ausprobieren können. Nach Abschluss der Matura habe ich mich nach einigem Hin und Her dafür entschieden, in die Werbung einzusteigen und machte neben Praktika eine entsprechende Ausbildung. Die Werbeagentur Honegger von Matt (heute Jung von Matt/Limmat) war mein erster Arbeitgeber, bei dem ich mich vollkommen wohl fühlte und mehrere Jahre blieb und lernte. Nach einigen Jahren konnte ich mich zur Werbestrategin spezialisieren, eine Weiterbildung in Miami und ein Jobangebot in New York folgten. Danach ein Job in Berlin. Und wieder zurück nach Zürich. Bald folgte der Wunsch, mich selbstständig zu machen. Mit 29 Jahren gründeten wir zu dritt Rod Kommunikation. Das war 2007. Heute bin ich Partnerin von Rod – unsere Agentur zählt mittlerweile dreissig Mitarbeitende – und ich arbeite immer noch voller Herzblut als Werbestrategin. 2010 und 2014 wurde ich als Werberin des Jahres ausgezeichnet.

Was machen Sie anders, als Ihre KollegInnen?

Unsere Kunden bezahlen mich in meiner Funktion als Werbestrategin dafür, dass ich ihnen einen Weg aufzeige, ihnen dabei helfe etwas zu erreichen, was sie selber nicht schaffen. Aus welchen Gründen auch immer. Eine gute Strategie kann man nur entwickeln, wenn man interessiert, gründlich und sehr ehrlich ist. Ich glaube, was ich wirklich anders mache als viele ist, dass ich sehr ehrlich und direkt in der Sache bin, dass ich zugebe, wenn ich etwas noch nicht begreife und nachfrage, bis ich es verstehe. Aus all den Informationen entwickle ich Lösungen, manchmal in der stillen Kammer, manchmal direkt am Tisch. Ich sage wirklich, was ich denke. Dieses Direkte, manchmal auch Undiplomatische und Unverblümte, kombiniert mit der Fähigkeit, Gedanken und Einsichten zu einem Gebilde zu spinnen, das alle verstehen und sich vorstellen können, das macht mich wohl anders und im besten Sinne des Wortes «merkwürdig».

Sie haben als Hilfsköchin, Pizzakurierin, Babysitterin, Nachhilfelehrerin, Promotorin, Journalistin, auf der Bank, im Treuhandbüro, im Zoo, etc. gearbeitet. Wie wichtig waren diese Nebenjobs für Ihre berufliche Laufbahn?

Erstens einmal sicherten sie mir ein Einkommen, meine erste Wohnung, Essen, Krankenversicherung und Steuern. Sie sicherten mir meine Unabhängigkeit und das war mir schon sehr früh sehr wichtig. Andererseits waren all diese Nebenjobs auch Möglichkeiten, in verschiedene Branchen und Berufe einblicken zu können und herauszufinden, wo ich mich sehe und wo eben nicht. Darum war ich beruflich keine ewig Suchende.

Sie sagen, dass Sie in fünf Jahren die Arbeitsstunden von zehn Jahren angehäuft haben. Fühlten Sie sich nie ausgenützt?

Nein, rückblickend empfinde ich das überhaupt nicht als Ausnutzung. Ich habe mir die Projekte auch oft selber «aufgehalst», weil ich noch mehr sehen und lernen wollte. Ich war wirklich getrieben vom Interesse an Werbung, ich wollte sie kennen und verstehen.

Wie wichtig waren diese Überstunden für Ihre berufliche Laufbahn?

Sehr wichtig. So bin ich schneller vorangekommen, bin sehr jung schon sattelfest geworden. Und je sicherer man wird, desto besser vermittelt man das auch anderen. Das führt wiederum zu mehr Verantwortung und so weiter.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag heute bei Ihnen aus?

Kein Tag ist gleich wie der vorangegangene – das kommt total auf die Projekte an, die gerade laufen. Ich beginne gegen 8 Uhr zu arbeiten – zu Hause, im Büro, bei Kunden oder irgendwo dazwischen. Pro Tag nehme ich mir zwei, drei Brocken oder Projekte vor und die probiere ich im Gespräch mit anderen oder in meinem Kopf voranzubringen. Mittagspause mache ich meistens dann, wenn mein Hund unmissverständlich an die frische Luft gehen möchte. Am Nachmittag wird weitergearbeitet, werden Werbestrategien zu Blatt gebracht, weitere Gespräche geführt und als Abschlussritual werden die Fragen für den kommenden Tag zusammengefasst. Um 18 Uhr bin ich, wenn immer möglich, zuhause und nur noch für meine Familie da, möglichst ohne digitale Ablenkung.

Ratschläge an junge Frauen

Müssen sich junge Frauen andere Gedanken bezüglich ihrer Karriere machen als Männer?

Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, glaube ich schon, dass das junge Frauen müssen. Darum habe ich ja auch mein Buch geschrieben. Das Schwierige ist aber wohl, dass man sich die Zukunft nicht so recht vorstellen kann, wenn man in den Zwanzigern drinsteckt.

Wieso sind die Jahre zwischen 20 und 30 für die berufliche Laufbahn einer Frau so wichtig?

Frauen, die Lust auf eine Karriere und auf Kinder haben, haben einfach weniger Zeit für beides zur Verfügung, da muss man ehrlich sein! Darum bin ich überzeugt, dass Frauen, die beides wollen, früher mehr für die Karriere tun müssen. Ideal, wenn man beruflich schon «jemand» ist, wenn die Kinder kommen. Dann ist es auch einfacher, wieder einzusteigen und weiterzumachen, wenn die Kinder da sind.

Was sind in dieser Zeit die grössten Hürden für junge Frauen?

An Lesungen hatte ich die Gelegenheit, viele hervorragend ausgebildete junge Frauen kennenzulernen. In diesen vollen Sälen spüre ich immer etwas ganz intensiv: Unsicherheit! Junge Frauen sind in beruflichen Dingen viel zu unsicher. Sie haben Angst, Fehler zu machen, vom CV übers Praktikum bis hin zum Stellenwechsel. Und diese Unsicherheit führt dazu, dass sie kaum Risiken eingehen, wenig ausprobieren. So nutzen sie die Anfangsjahre im Beruf nicht optimal aus und schaffen es oft nicht, dass sich ihre Karriere beschleunigt. Das wäre aber wichtig. Denn das motiviert.  

Wie können diese Hürden übersprungen werden?

Der typischste Fehler von jungen Frauen ist wohl momentan, sich beruflich zurückzuhalten, nicht auffallen und anecken zu wollen. Wir Frauen schreiben in Sitzungen gerne fleissig Notizen, wenn die Männer reden. Es braucht Mut, sich einzubringen. Ich finde immer, am besten, man nimmt sich vor, bei jeder Möglichkeit, etwas zu sagen. Zuerst fühlt es sich forciert an, dann natürlich, irgendwann selbstverständlich. Und man ist nicht mehr nur anwesend, sondern prägend. Aber das Verändern einer solchen Gewohnheit muss man sich vornehmen. Diese Hürde muss jede selber überspringen, sonst ändert sich nichts.

Was kann eine junge Frau für einen möglichst erfolgreichen Start ins Berufsleben selber unternehmen?

Möglichst viel ausprobieren, schnuppern, testen, reinschauen. Damit man herausfindet, welcher Job, welche Branche einen wirklich innerlich zufrieden macht. Ohne Ausprobieren findet man das nicht heraus. Darum plädiere ich stark dafür, zu Beginn des Berufslebens in den «Sammel-Modus» zu schalten.

Mit welchen Tricks kann eine junge Frau ihre berufliche Laufbahn beschleunigen?

Da gibt es zig Möglichkeiten! Zum Beispiel indem man probiert, in einer Branche bekannt zu werden mit Freiwilligenarbeit für Verbände oder an Veranstaltungen. Beide sind auf Helfer angewiesen und bieten tolle Möglichkeiten, Menschen und Unternehmen kennenzulernen. Das kann später hilfreich sein.

Wie baut Frau sich ein Netzwerk auf, wenn sie noch ganz am Anfang der beruflichen Karriere steht?

Indem man zum Beispiel die Mittagspause nicht nur mit den TeamkollegInnen verbringt, sondern sich vornimmt, jede Woche einen «Businesslunch» einzuplanen, mit Menschen, die man kennenlernen möchte. Das können Personen aus dem eigenen Unternehmen sein, aus Partnerunternehmen oder sogar Personen von Konkurrenzunternehmen. Alle diese Gespräche schärfen die Konversationsskills, verschaffen spannende Informationen und erweitern das Netzwerk schlagartig. Ich halte wenig von virtuellen Netzwerken und viel von echten.

Mit welchen Mitteln kann eine junge Frau beim ersten Arbeitgeber positiv auffallen?

Ein einfacher Weg ist Schnelligkeit. Sprich, jede Aufgabe, die man einfach erledigen und rasch wegputzen kann, macht man konsequent schnell. Damit fällt man auf, weil man als «die Schnelle, Zuverlässige, Speditive» gilt und der Arbeitgeber mit der Zeit merkt, dass man dieser Person mehr zumuten und zutrauen kann.

Wie kommt eine junge Frau weiter, wenn sie in einem Job angelangt ist, in dem sie sich wohlfühlt?

Indem sie immer klar ihre Meinung äussert, sich in Diskussionen einbringt und sich angewöhnt, auch Entscheidungen zu treffen. Das machen sehr wenige.

Tolle Ausbildung, volles Engagement im Beruf und trotzdem keine Karriere. Was raten Sie diesen Frauen?

Von anderen Frauen und ihren Erkenntnissen lernen. Wir Frauen müssen uns hier besser organisieren, Wissen und Erfahrungen teilen und so schneller und effizienter weiterkommen. Dazu gehört auch, dass das Thema «Karriere» überhaupt im Freundeskreis diskutiert wird und keinen harten Beigeschmack mehr haben muss. Erfolg haben zu wollen, ist total ok und nichts, wofür man sich schämen muss. Ich warte auf den Tag, an welchem Frauen ihre beruflichen Erfolge in Social Media stolz abfeiern – davon sind wir noch weit entfernt. Aber der Tag wird kommen.

Vor welchem Hintergrund haben Sie das Buch #Frauenarbeit geschrieben?

Ich fühle mich mit bald vierzig Jahren noch nahe an «den jungen Frauen» und habe das Gefühl, dass ich mich mit ihren Erfahrungen und Erlebnissen identifizieren kann. Dadurch wird meine Stimme gehört – das wollte ich ausnutzen und mit meinem Buch einen Beitrag leisten, dass sich die Welt zu unseren Gunsten ändert. Jede Leserin, welche mir schreibt, dass das Buch sie nachhaltig motiviert und begeistert hat, macht mich glücklich. Schön, dass ich das machen konnte.

Kurz nachgefragt

Hoher Lohn oder spannender Job?

Der spannende Job ist logischerweise wichtiger – vor allem auf Dauer wird eine gute Aufgabe befriedigender sein als viel Geld. Ich glaube auch, dass das Streben nach einem hohen Lohn kein Ziel sein kann. Aber ein hoher Lohn kann ein Resultat von Einsatz und Talent sein. Das kommt natürlich auch auf die Branche an.

Deuxpièces-Monster oder Fashionista?

Bleiben Sie einfach sich selber. Nutzen Sie Kleidung aber gerne auch sehr strategisch, um sich selbstbewusster, stärker und mutiger zu fühlen. Das kann ein Deuxpièces sein, muss aber nicht. Mir hilft es bei wichtigen Terminen, schon Tage vorher zu wissen, was ich dann anziehen werde. So visualisiere ich die Situation, bevor sie eintrifft, und fühle mich bereit.

Kind oder Karriere?

Ich glaube, das «oder» in dieser Frage ist falsch. Aber die Reihenfolge ist entscheidend. Es geht nicht beides gleichzeitig. Zuerst Karriere, dann Kind. Oder dann Kind und viel später Karriere.

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