Dem Zufall auf die Sprünge helfen
Wie sieht die berufliche Zukunft aus? Eine Frage, mit der sich Studierende laufend auseinandersetzen, die aber auch vor und nach dem Studium die Ge...
- 5. September 2020
- 5 Min. Lesezeit
- Betina
Wie sieht die berufliche Zukunft aus? Eine Frage, mit der sich Studierende laufend auseinandersetzen, die aber auch vor und nach dem Studium die Gemüter bewegt. Eine Frage, die inspiriert, neugierig macht aber auch verunsichert. Ganz unterschiedlich wird diese Herausforderung angegangen. Einen Plan für die Zukunft zu haben, ist in unserer Gesellschaft von grosser Bedeutung - man denke allein schon an den vielerwähnten roten Faden im Lebenslauf. Wer erfolgreich sein will, muss ein Ziel vor Augen haben. Der Umkehrschluss ist einfach gemacht - kein Ziel, kein Erfolg. Oder doch? Betrachten wir Lebensläufe in der Retrospektive, fällt meistens das Wort "zufällig". Zufällige Ereignisse, Bekanntschaften oder Begegnungen haben in den Laufbahnen vieler Menschen entscheidende Auswirkungen.
Diese Erkenntnis wurde selbst von der Wissenschaft aufgenommen und empirisch in Studien untersucht. Die Happenstance Theorie von Krumboltz (20009) greift diesen Umstand auf und verdeutlicht die Wichtigkeit von Zufällen in beruflichen Karrieren. Diese Theorie zeigt auf, dass vieles im beruflichen Werdegang nicht planbar ist und dem Zufall oder Glück attestiert werden muss. Macht also ein Plan oder ein Ziel überhaupt Sinn? Unbestritten: Ziele geben uns eine Richtung an und motivieren uns zum Einsatz - zu Praktika, Arbeiten, Nachweisen, Prüfungen und wichtigen Abschlüssen. Sie sind somit wertvolle Motivatoren. Zu eng gesetzt, besteht allerdings die Gefahr, dass wir uns in unseren Möglichkeiten eingrenzen.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Krumboltz zeigt auf, dass wir nicht allein Opfer des Zufalls sind, sondern dass wir aktiv etwas beitragen können, ob Zufälle eintreffen und wie oft. Wer erfolgreich sein will, muss lernen, die glücklichen Zufälle selber zu schaffen oder anders gesagt: zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.
Eine zentrale Bedeutung nimmt dabei die planvolle Offenheit ein. Ein Ausdruck, der mir gut gefällt und so viel bedeutet wie: Ich weiss, wie mein Kompass gestellt ist und in welche Richtung ich ungefähr reisen möchte. Auf dem Weg dorthin lasse ich mich aber überraschen, suche Gespräche und habe Augen und Ohren für spannende Hinweise und Empfehlungen offen. So kann ich flexibel agieren und erhöhe damit die Chance, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.
Wie aber werde ich planvoll offen? Ein zentraler Schritt hin zur planvollen Offenheit ist die Einstellung des persönlichen Kompasses: Dabei steht die Auseinandersetzung mit den eigenen Werten, Interessen, Kompetenzen und Ressourcen an. In Gesprächen mit KollegenInnen, Vorgesetzten, MentorInnen oder auch ProfessorInnen über die persönlichen Überlegungen, können sich bereits wertvolle Inputs oder Möglichkeiten eröffnen.
Ein zentraler Aspekt der planvollen Offenheit ist es, über die eigenen Ideen zu sprechen - auch wenn sie nicht fertig ausgereift sind! Durch diesen Austausch erhalte ich neue Ideen, stosse zufällig auf spannende Themen - oder gar Jobangebote.
Von nichts kommt nichts
Um mehr glückliche Zufälle zu schaffen, muss ich aktiv werden. Krumboltz propagiert Eigeninitiative. Zu Hause in den eigenen vier Wänden wird mich kaum ein glücklicher Zufall treffen. Ich muss lernen, hinaus zu gehen und gezielt AnsprechpartnerInnen zu suchen. Allein der Austausch über berufliche Laufbahnen kann schon inspirierend sein.
Es bietet sich an, gezielt Personen anzugehen, deren aktueller Beruf oder deren Laufbahn fasziniert. Das kann an Veranstaltungen wie Referaten, Networking-Anlässen, Messen oder auch einfach per direktem Anruf geschehen. Die meisten berichten gerne über ihren Werdegang und geben spannende Anregungen oder auch nützliche Tipps. Solche Gespräche haben auch schon zu Praktika oder gar Stellenangeboten geführt.
Des Weiteren kann auch das Interesse an einem Unternehmen zu neuen Optionen führen. So bietet sich im Rahmen des Studiums die Möglichkeit, eine Arbeit zu schreiben, die für ein Unternehmen spannend sein könnte. Schon sind weitere Kontakte geknüpft und die Möglichkeit für einen glücklichen Zufall erhöht.
Selbstredend sind auch Bewerbungen aller Art eine Möglichkeit, dem Zufall auf die Sprünge zu helfen. In Stellenausschreibungen wird oft die sogenannte "Eierlegende Wollmilchsau" gesucht. Das schreckt ab. Dabei weiss ich als BewerberIn meist nicht, ob nun die Eier, die Milch oder die Wolle zentral für die Position sind - also überlasse ich diese Selektion dem Arbeitgeber. Nur wenn ich mich bewerbe, kann ich meine Chance auf glückliche Zufälle erhöhen. Denn von nichts kommt nichts.
Eigene Hürden überwinden
Das Vorgehen ist eigentlich einfach. Dennoch gelingt vielen dieser offene Umgang mit Zukunftsplänen nicht. Häufig stehen zu hohe Erwartungen dahinter. Der Anspruch mit einer völlig ausgereiften Idee und einem konkreten Plan daher kommen zu müssen oder bei Bewerbungen allen Kriterien entsprechen zu müssen, bremst viele aus. Dabei wird oft vergessen, dass es das grosse Potenzial von Studienabsolventinnen und -absolventen ist, noch vielseitig zu sein und in unterschiedlichen Funktionen hineinwachsen zu können. Genau diese Offenheit soll als Ressource genutzt werden, denn sie ist für Unternehmen interessant! Trainee- oder Young-Talent-Programme werden diesen Umstand gerecht - junge BerufseinsteigerInnen erhalten verschiedene Einblicke und werden entsprechend ihrer Stärken, die sich in der Praxis zeigen, gefördert.
Ebenso können Hemmungen daran hindern, aktiv zu werden und auf neue Menschen zuzugehen. Auch hier sollte man die Erwartungen an sich selber anpassen - vielleicht könnte ein erstes kleines Ziel sein, am nächsten Event vorerst einer Person konkrete Fragen zu Beruf oder Laufbahn zu stellen? Oder einen ersten Anruf zu tätigen? Dieses Vorgehen brauch im ersten Schritt Überwindung. Ist diese Schwelle einmal überwunden, bleiben stärkende Erfahrungen, die spätestens in Vorstellungsgesprächen von Nutzen sein werden.
Scheinen die Hindernisse zu gross oder das Aufschiebeverhalten zu stark, empfiehlt es sich, mit einer Beratungsperson individuelle Strategien zu entwerfen und diese mit professioneller Unterstützung anzugehen.
Viele Lose erhöhen die Gewinnchance
Und wenn der Zufall nicht will? Ganz einfach - dann geht es weiter. It's part of the game! Wie eine Tombola, bei der möglichst viele Lose gekauft werden, um die persönliche Gewinnchance zu erhöhen. Jeder neue Kontakt, jeder persönliche Austausch über Ideen und Wünsche, jede Bewerbung oder jede Teilnahme an einem Event kann als neues Los betrachtet werden. Der Fantasie und dem Engagement sind keine Grenzen gesetzt.