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Hoch hinauf in den Elfenbeinturm?

Frau Professor Doktor … – Klingt nicht schlecht! Doch was verbirgt sich tatsächlich hinter einem Titel? Was bedeutet es für eine Frau, den Weg eine...

  • 16. Februar 2020
  • 10 Min. Lesezeit
  • Max

Frau Professor Doktor … – Klingt nicht schlecht! Doch was verbirgt sich tatsächlich hinter einem Titel? Was bedeutet es für eine Frau, den Weg einer akademischen Karriere einzuschlagen? Welche Vor- und Nachteile ergeben sich zur Corporate World? Girls Drive ist der Karriere in der Wissenschaft auf den Grund gegangen.

Text: Nadia Eggman, Kira Zemp, Nora Zürcher

Monika Marxer, Doktorandin in Parasitologie, Barbara Solenthaler, Senior Researcherin in Informatik, und Antoinette Weibel, Professorin für Personalmanagement, sind uns dafür Rede und Antwort gestanden und haben mit uns ihre Sichtweisen auf das Thema «Akademische Karriere» geteilt. Was uns überrascht hat: Auch wenn sich wissenschaftliches Arbeiten und die Arbeit in einer privatwirtschaftlichen Unternehmung auf den ersten Blick so gar nicht ähneln wollen, gibt es bei näherer Betrachtung erstaunlich viele Parallelen.

Selbstverwirklichung vs. Luxusleben?

Lust auf die vertiefte Auseinandersetzung mit einem Thema, die Zusammenarbeit mit Forschern aus aller Welt und nicht zuletzt: aufs Schreiben und Publizieren? Dann sollte eine akademische Karriere als Option in Erwägung gezogen werden. Wer reich werden will, ist hier jedoch falsch. Die akademische Karriere bedeutet kleine und grosse Projekte, kritisches Denken und der Eintritt in eine wissensgetriebene Community. Unabhängigkeit in der Gestaltung ihrer Arbeit stellt für Frau Prof. Dr. Antoinette Weibel dann auch ein klares Privileg eines Professorenstuhls dar: «Ich möchte eine Wissenschafterin sein, die unabhängig ist – nicht Profitgeschäfte machen!»

Spannend ist, dass trotz ihrer jetzigen Begeisterung für ihre Aufgabe die Professur für Antoinette Weibel nie erklärtes Ziel war. Sie liess sich also von ihren Interessen in Richtung Professorenstuhl treiben – und ist heute davon überzeugt, dass Professorin der schönste Beruf der Welt ist. Dies kommt nicht von ungefähr: Eine Professur bietet viel Selbstbestimmung und Abwechslung bei der Arbeit, wie sie uns aus ihrer eigenen Erfahrung erzählt. Der hohe Selbstbestimmungsgrad kann durchaus einen Luxus in einer Karriere in diesem Bereich darstellen. Die Forscherinnen stimmen in der Aussage überein, dass die Welt der Wissenschaft viel weniger Routinearbeiten kennt als die Privatwirtschaft. Das Forschen im stillen Kämmerlein ist längst überholt; vielmehr geht es darum, seine Forschungsprojekte an Konferenzen vorzustellen und zu netzwerken. Hier kommt ein wichtiger Aspekt des Karrieremachens ins Spiel: Kontakte knüpfen, pflegen sowie ausbauen ist überall entscheidend, wenn es darum geht, voranzukommen – unabhängig davon, wo man Karriere machen will. Die Relevanz des Netzwerkens zeigt sich insbesondere im Austausch von Gedankengut. Je besser die eigenen Kontakte sind, desto mehr bereichernde Gespräche, Projektideen und gemeinsame Forschungsvorhaben entstehen.

Mit der eigenen Karriere die Welt bewegen?

Als Professorin wird man Teil jener Öffentlichkeit, die eine hinterfragende oder auch potenzialorientierte Haltung gegenüber Themen in der Gesellschaft wahrnimmt. Je höher man die akademischen Stufen erklimmt, desto mehr wird man auch mit seinen Forschungsthemen identifiziert und nach seiner Meinung gefragt. Antoinette Weibel ist davon überzeugt, dass man als Professorin mindestens so viel bewegen kann wie als CEO in der Privatwirtschaft. Insbesondere der Aspekt der Lehre sticht hier ins Auge.

Als Professorin hat man die verantwortungsvolle Aufgabe, Menschen auf einem hohen Niveau noch weiter zu bilden. Die damit einhergehende Verantwortung muss getragen werden können, gewollt und bewusst sein. Für Dr. Barbara Solenthaler sind aber genau diese Verantwortung und die Möglichkeit, sein eigenes Forschungsfeld weiterzubringen, schlagende Argumente für eine Karriere innerhalb der Forschung. Gerade im Bereich der Informatik kann aktiv am Stand der heutigen Technologie gerüttelt werden. Obwohl man als Forscherin etwas bewegen kann, ist man oft nur ein kleiner Teil innerhalb eines grossen Ganzen. Oft nimmt man mit seinen Erkenntnissen auch bloss indirekt Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft – halten wir vorerst mal fest: Der Gestaltungsspielraum ist bei einer akademischen Karriere relativ gross, der Einfluss kann indessen (je nach Themengebiet) auch mal marginal sein.

Böse Zungen behaupten zudem, dass der akademische Weg, im Gegensatz zu einer Karriere in der Corporate World, ein gemütlicher Weg sei. Wie viel Wahrheit steckt hinter diesen Vorwürfen? Antoinette Weibel und Barbara Solenthaler sind sich einig, dass dieses Vorurteil auf irreführenden und unvollständigen Beobachtungen basiert. So sieht Barbara Solenthaler das Problem, dass direkt aus der Forschung oft kein konkretes Produkt entsteht. Für die Gesellschaft ist häufig nicht nachzuvollziehen, was in den Laboratorien überhaupt gemacht wird. Die Wissenschafterin sieht darin den Ansporn, klarer zu kommunizieren, was denn überhaupt im sogenannten Elfenbeinturm geleistet wird. Denn Forschungspapiere sind nicht für jedermann leichte Lektüre. Die Gefahr ist allerdings, dass viel Energie darauf verwendet wird, einer Frage nachzugehen, welche am Ende nur unbefriedigend beantwortet werden kann. Gerade Monika Marxer als Parasitologin sieht sich mit dieser Realität konfrontiert. Für sie fühlt sich die akademische Welt manchmal schon wie eine Welt für sich an. Gerade in der Grundlagenforschung wird viel Geld in die Forschung investiert, deren Ausgang unklar ist. Die Frage nach Sinn und Zweck der Bemühungen ist allgegenwärtig. Die PhD-Anwärterin ist deswegen davon überzeugt, dass man früher oder später auch wieder in der Realität ankommen muss – sei es als frischgebackene Doktorandin in einer NGO, in einem Konzern oder aber auch über die Lehre. Forschung ist halt nach wie vor oftmals theoretisch. Dennoch ist es voreilig zu behaupten, dass im Doktoratsstudium das Sammeln praktischer Berufserfahrung nicht möglich sei.

Das eigene grosse Projekt

Das Bild der abgeschotteten Nerds, die rund um die Uhr in einer Bibliothek rumhängen, ist längst veraltet. Als Einzelkämpfer in der Wissenschaft zu überleben – das schafft heute höchstens noch ein Genie, erklärt uns Antoinette Weibel. Gerade in den Sozialwissenschaften wird Teamarbeit grossgeschrieben. Doktoranden engagieren sich an einem Lehrstuhl oder arbeiten gar nebenbei in einer Unternehmung. Sie stehen somit schon mit einem Bein in der Wirtschaft. Antoinette Weibel betrachtet das Doktorat als eine wunderbare Möglichkeit zur persönlichen Weiterbildung und geistigen Bereicherung im Allgemeinen. Es biete die einmalige Chance, sich intensiv mit einer Thematik seiner eigenen Interessen über einen längeren Zeitraum hinweg auseinanderzusetzen. Man übe sich in Selbstständigkeit und Selbstdisziplin. Der Titel aber sollte nicht im Vordergrund stehen. «In der Schweiz lohnt es sich im Alltag leider nicht, einen Professorentitel zu tragen. Einen besseren Tisch im Restaurant gibt es deswegen auch nicht», bemerkt sie schmunzelnd. Aber natürlich bringt der Titel trotzdem einige Vorteile mit sich.

Monika Marxer meint hierzu: «Etwas von null auf eigenständig aufzubauen, weiterzuentwickeln und am Ende als sein eigenes Werk präsentieren zu können, ist eine unglaublich attraktive Chance.» Aber auch ein Doktorat hat ganz klar seine Schattenseiten. Denn wer kennt es nicht, das Auf und Ab der Gefühle während des Verfassens einer grösseren wissenschaftlichen Arbeit? Eines muss einem bewusst sein: Von einer Achterbahn der Gefühle bleibt man auch im Doktoratsstudium nicht verschont. Hartnäckigkeit und Durchhaltewillen sind Erfolgsrezepte für diese schweren Zeiten, wie Barbara Solenthaler selbst erfahren hat. Auch gestandene Professorinnen wie Antoinette Weibel kennen diese Phasen nur zu gut. Sie findet aber tröstende Worte: «In diesem Prozess lernt man, seinen eigenen Fähigkeiten zu vertrauen und mit solchen Gefühlen umzugehen.»

Wichtig zu wissen ist, dass einem auch nach der Dissertation weiterhin alle Türen offenstehen. Der Doktortitel verpflichtet noch lange nicht dazu, den Weg an die Spitze des Elfenbeinturms wirklich zu gehen. Antoinette Weibel ist überzeugt: «Auf dem Arbeitsmarkt schadet ein Doktortitel bestimmt nicht, er ist vielmehr ein Gütekriterium.» Dem pflichtet auch Monika Marxer bei. Sie ist überzeugt, dass der Doktortitel gerade auf lange Sicht einen klaren Mehrwert bringt. Den Doktortitel verliert man im Gegensatz zum Arbeitstitel auch während einer längeren Familienpause nicht. Damit ist er Backup und Gütekriterium zugleich, wenn es um den Wiedereinstieg ins Berufsleben geht.

Akademia – der perfekte Ort für Frauen?

Auf der höchsten Stufe der wissenschaftlichen Forschung sind Frauen bislang trotz aller Vorzüge unterrepräsentiert. Gemäss Einschätzungen des Bundesamtes für Statistik könnte sich dies auf lange Frist durchaus ändern. Steigende weibliche Zuwachsraten in der Schweiz führen zu vielversprechenden Prognosen. Trotz der momentan noch geringen Anzahl an Frauen in der Wissenschaft fühlt sich Antoinette Weibel aber nicht schlechter gestellt: «Ich habe mich in der Forschung noch nie benachteiligt gefühlt. Man ist nie die einzige Frau.» Auch Barbara Solenthaler sieht keine Benachteiligung, wenn es um das Vorwärtskommen einer Frau in ihrer akademischen Laufbahn geht. Monika Marxer bemerkt aber, dass eine Frau auf Konferenzen schon sehr auf ihr Erscheinungsbild zu achten hat und dass eine Extraportion Selbstbewusstsein nicht schadet. Antoinette Weibel kann der gegenwärtigen Knappheit an Akademikerinnen aber sogar einen Vorteil abgewinnen: Wer Karriere und Familie gerne unter einen Hut bringen möchte, der sollte in einem Feld Forschungen betreiben, in welchem Frauen noch rar sind oder wo es einfach zu wenige Experten gibt. Bereiche wie Accounting oder Wirtschaftsrecht würden sich besonders dafür eignen. Denn mit der Knappheit kommt die steigende Nachfrage. In solchen Fällen wird es einem ein wenig besser möglich sein, seine Arbeitsbedingungen auszuhandeln.

Es fällt an dieser Stelle definitiv auf, dass sich die Corporate World gerade in Karrierefragen nicht so sehr von der akademischen Welt unterscheidet: Je höher man steigt, desto geringer werden die Möglichkeiten, Teilzeit zu arbeiten. Professorin zu sein bedeutet auch Managerin zu sein. Der Verwaltungsaufwand und die Verantwortung in politischen Angelegenheiten nehmen mit jedem Karriereschritt zu. Zudem ist man für die Projektakquise und das Einholen von Forschungsgeldern verantwortlich. Die Professur weist darüber hinaus noch mehr Parallelen zur Unternehmensführung auf. Man trägt grosse Verantwortung für eine Vielzahl von Projekten und Mitarbeitern und muss ständig am Ball bleiben.

Gerade der Bereich der Technologie ist schnelllebig. Wer für mehrere Jahre weg vom Fenster ist, dem wird der Wiedereinstieg nicht leicht fallen – manchmal ist er aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gar unmöglich. Teilzeitarbeit als Kadermitarbeiterin oder führende Forscherin ist also gemäss unseren Interviewpartnerinnen nur schwer möglich. Momentan gibt es in Akademia keine Garantie, dass einem eine familienfördernde Stelle präsentiert wird. Hier zeigen sich dieselben Schwierigkeiten wie in der Privatwirtschaft. Als Professorin ist man zwar zeitlich oftmals flexibler und sein eigener Chef, die Stunden müssen aber dennoch geleistet werden. Antoinette Weibel formuliert dazu treffend: «Man trägt sein Büro immer auf den Schultern.» Wie beim Unternehmertum geht man auch in einer akademischen Karriere eine Zweitehe mit der beruflichen Tätigkeit ein. Es ist nicht von einer Work-Life-Balance, sondern vielmehr von einer Work-Work-Balance zu sprechen, so Antoinette Weibel.

Der Grund, weshalb sich die Anzahl der Frauen an der Spitze des Elfenbeinturms stark verdünnt, obwohl die Zahl der Doktorandinnen steigt, sieht Monika Marxer zudem in der tickenden biologischen Uhr. Die akademische Karriere erfordert viel Zeit und Geduld. Während der Aufstieg in der Privatwirtschaft steil verlaufen kann, zeigt sich der Median der Studiendauer laut dem Bundesamt für Statistik in Natur- und Rechtswissenschaften beispielsweise bei vier Jahren, während er in den Geistes- und Sozialwissenschaften sogar bei fünf Jahren liegt. Es gilt zu beachten, dass die akademische Karriere erst nach Abschluss des Doktoratsstudiums so richtig beginnt. Der Weg zur Professur ist steinig und lang. Monika Marxer meint hierzu ehrlich und unumwunden: «Eine Schwangerschaft während des Doktoratsstudiums würde ich mir nicht antun wollen.»

Trotzdem: Als Frau hat man per se keine schlechteren Karten als ein männlicher Kollege. Um mit seiner Forschung zu überzeugen, sind Selbstbewusstsein und Überzeugungskraft essenziell. Die eigenen Resultate müssen an Konferenzen schlagkräftig präsentiert werden.

Doktorat ist nicht gleich Doktorat

Wer sich für das Doktorat interessiert, sollte wissen: Doktorat ist nicht gleich Doktorat! Die entsprechenden Studiengänge variieren je nach Universität, Professor, Fachrichtung. Deswegen sind sich alle drei Forscherinnen einig: «Unterhaltet euch mit möglichst vielen Professoren, Forschern und Doktoranden und findet heraus, welche Art von Doktoratsstudium euch am meisten zusagt!» Diese Abklärung ist deswegen besonders wichtig, weil das Arbeitsumfeld eindeutig stimmen muss. Um sich die Entscheidungsfindung möglichst zu erleichtern, bietet sich zum Beispiel eine Tätigkeit als studentische Hilfskraft an einem Institut an. Dort kann eins zu eins miterlebt werden, was es heisst, in die Welt der Forschung einzutauchen. Zudem rät Barbara Solenthaler, dass man bereits beim Verfassen der Bachelor- und Masterarbeit bewusst ausprobieren sollte, ob einem die forschende Tätigkeit liegt.

Leidenschaft als Schlüsselfaktor

Was ist nun also unsere Konklusion? Der Weg in die Forschung und der Weg in die Privatwirtschaft weisen mehr Parallelen als Unterschiede auf. Wer mit Leidenschaft bei der Sache ist, wird als Unternehmerin oder als Wissenschafterin glücklich werden und etwas bewegen können. An beiden Orten sind momentan die Strukturen, um Familie und Karriere zu vereinen, noch nicht optimal ausgebaut. Teilzeitmodelle und die steile Karriere lassen sich nicht so einfach verbinden. Ob man nun die Flexibilität und die Selbstbestimmung in einem Start-up oder in der Wissenschaft sucht, ist eindeutig Geschmackssache. Wichtig ist vor allem, dass man sich denjenigen Weg aussucht, welchen man mit Freude und Leidenschaft begehen wird. Ob mit oder ohne Doktortitel – es tun sich immer wieder ungeahnte Möglichkeiten auf. Und, wie heisst es so schön im Leben: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Dieser Beitrag ist in der GIRLS DRIVE Ausgabe 5 (Sommer 2014) erschienen.