Wie viele Zahnärzte gibt es in Zürich?

Hoffentlich bekommst du von dieser Frage keine Zahnschmerzen! Im Vorstellungsgespräch stellen Recruiter manchmal solche Fermi-Fragen, um herauszufi...

  • 29. Juni 2020
  • 4 Min. Lesezeit
  • Sonia Craven

Hoffentlich bekommst du von dieser Frage keine Zahnschmerzen! Im Vorstellungsgespräch stellen Recruiter manchmal solche Fermi-Fragen, um herauszufinden, ob du in der Lage bist, analytisch zu denken und zu einer Aussage zu kommen, deren Herleitung logisch nachvollziehbar ist.{:.intro-text}

Einordnung der Frage: Worum geht es?

Diese Denksportaufgabe gehört zu den sogenannten Fermi-Fragen. Darunter versteht man eine quantitative Abschätzung für ein Problem, zu dem so gut wie keine Daten verfügbar sind. Der Physiker Enrico Fermi pflege seine Studenten mit derlei Aufgaben zu konfrontieren, um ihnen beizubringen, auf schnellem Weg eine Lösung durch eine begründete Schätzung zu finden. Diese Schätzungen beruhen auf realistischen Annahmen, die dann in Rechenschritte umgesetzt werden müssen.

Für welche Berufe sind diese Fragen relevant?

Diese Fragen sind in den Berufen interessant, in denen es darum geht, trotz eines Mangels an Informationen spontan gute Abschätzungen vorzunehmen.

Tätigkeitsbereiche: u.a. Mathematiker, Berater, Analysten, Wirtschaftswissenschaftler, Investmentbanker, Banker, andere technische Berufe

Branchen: u.a. Wirtschaftsprüfung, Unternehmensberatung, Banken und Finanzinstitute, Maschinen- und Anlagenbau

Rückfragen stellen: Dos und Don’ts

Damit du von Beginn an richtig mit der Situation umgehst und dein Vorgehen planen kannst, solltest du zunächst die Regeln für den Ablauf und den Umgang mit der Brainteaser-Frage abklären. Damit zeigst du dem Recruiter einerseits dein Interesse an einer Lösung und erfährst zusätzlich, in welchem Rahmen du dich bei der Antwortfindung bewegen kannst. Dabei solltest du unbedingt einige allgemeine Dos und Don’ts beachten:

Allgemeine Dos:

  • Schau deinem Gegenüber immer in die Augen. Augenkontakt ist für die Empathie wichtig, die vielleicht dazu führt, dass du den ein oder anderen Hinweis erhältst, den andere nicht bekommen.
  • Schätze Grössenordnungen erst selber ein, bevor du beim Recruiter nachfragst, ob du damit richtigliegst.
  • Rechne immer alleine und ohne Unterstützung des Recruiters.

Dos Beispielformulierungen:

  • «Darf ich Stift und Zettel benutzen, um mir Notizen zu machen und meine Überlegungen aufzuschreiben?»
  • «Darf ich Ihnen Rückfragen stellen? Und wenn ja, wie viele Rückfragen sind gestattet?»
  • «Ich kenne die Bevölkerungszahl von Zürich nicht so genau, aber mir ist natürlich bekannt, dass Zürich die grösste Stadt der Schweiz ist. Ich komme aus Genf, dort leben um die 200.000 Menschen. Ich würde jetzt einfach mal sagen, dass in Zürich doppelt so viele Menschen leben. Kann ich mit dieser Annahme weiterrechnen?»

Allgemeine Don’ts:

  • Stell keine dummen Fragen! Damit ist gemeint: Frag nicht nach Fakten, die du kennen solltest, wie zum Beispiel die Anzahl der Wochen eines Jahres, wie viele Tage ein Jahr hat oder wie viele Meter ein Kilometer hat.
  • Stell nicht zu spitzfindige Fragen.
  • Stell nicht zu viele Fragen. Nicht der Recruiter soll dir eine Antwort geben, sondern du ihm.
  • Verlier dich bei deinen Fragen nicht in zu vielen Details.

Don’ts Beispielformulierungen:

  • «Was genau bezwecken Sie mit einer solchen Frage eigentlich?»
  • «Das kann man doch ganz leicht auf local.ch oder search.ch nachschlagen. Ich wüsste nicht, wie ich Ihnen diese Frage jetzt aus dem Stehgreif beantworten sollte – ich komme ja auch gar nicht aus Zürich

Mögliche Anwendung in der Praxis

In der Praxis wirst du froh sein, bereits mit Fermi-Fragen konfrontiert worden zu sein, wenn du zum Beispiel als Strategieberater die Verkaufszahlen des Konkurrenten eines deiner Klienten einschätzen musst, um ein fachliches Urteil fällen zu können.

Möglicher Lösungsweg mit den von uns getroffenen Annahmen

Ausgehend von dem Grundsatz, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt, solltest du dich zuerst fragen, wie viele Menschen in Zürich leben und somit auch zu einem Zahnarzt gehen.

Wenn du die Antwort von ca. 400.000 nicht im Kopf hast, gib nicht gleich auf, sondern überlege dir, welche Bevölkerungsanzahl einer Schweizer Stadt du kennst und mit Zürich vergleichen kannst. Kommst du vielleicht aus Genf oder Basel und hast gehört, dass Zürich die grösste Stadt der Schweiz ist? Dann kannst du die Bevölkerungszahl einer dieser Städte (die auf Platz 2 und 3 hinter Zürich liegen) auf 180.000 Einwohner schätzen und annehmen, dass Zürich doppelt so viele hat.

Nun solltest du dich fragen, wie oft die Zürcher pro Jahr einen Zahnarzt besuchen. Viele gehen 1-2 Mal im Jahr, einige gar nicht und einige öfter. Im Schnitt kannst du von 2 Besuchen pro Person im Jahr ausgehen.

Und wie lange dauert ein Termin im Schnitt? Bei einigen Vorsorgeterminen sind Patienten schnell und erleichtert wieder draussen, Behandlungstermine dauern schon mal länger. Auch hier ist wieder der Durchschnitt gefragt, nimm hier zum Beispiel 45 Minuten pro Termin an.

Errechne nun den Bedarf: Die Zürcher haben einen Bedarf von 2 x 400.000 Besuchen im Jahr = 800.000 Besuche. Die Besuche mal eine dreiviertel Stunde Zeit gerechnet ergibt ein Zeitvolumen von 36.000.000 Minuten im Jahr.

Nun kennst du den Bedarf der Zürcher, doch wie sieht die Angebotsseite aus? Ein Zahnarzt arbeitet an 5 Tagen pro Woche. Im Durchschnitt wahrscheinlich um die 40 Stunden, also 8 Stunden am Tag. Pro Jahr wird er um die 220 Arbeitstage haben.

Das bedeutet für die Arbeitsleistung, die ein Zahnarzt pro Jahr erbringen kann: 8 x 220 = 1.760 Stunden. In Minuten ausgedrückt sind dies 1.760 x 60 = 105.600 Minuten.

Jetzt musst du nur noch die Zahlen für die Nachfrage und für das Arbeitsvolumen eines Zahnarztes zusammenbringen:

36.000.000 / 105.600 = 340

LÖSUNG:

In Zürich besteht ein Bedarf an 340 Zahnärzten. (Je nach Annahmen sind selbstverständlich auch andere Lösungen möglich!)

Plausibilisierung: Auf der Website von local.ch finden sich für Zürich 384 Einträge.