Vorstellungsgespräch: Über das Scheitern im Job

Endlich! Nach erfolgreicher Bewerbung und eventuell einem kurzen Skype- oder Telefon-Interview hast du den Personalchef beim Vorstellungsgespräch n...

  • 6. Juli 2020
  • 3 Min. Lesezeit
  • Max

Endlich! Nach erfolgreicher Bewerbung und eventuell einem kurzen Skype- oder Telefon-Interview hast du den Personalchef beim Vorstellungsgespräch nun ganz für dich allein. Jetzt gilt es, deine Stärken, Interessen und Erfahrungen gekonnt auszuspielen und dich bestmöglich zu präsentieren. Was aber, wenn dein Gesprächspartner dir bei dieser Taktik (scheinbar) einen Strich durch die Rechnung macht?

Dass Personalchefs Jobkandidaten nach ihrem grössten Misserfolg fragen, ist gar nicht selten. Das kann einen schon mal aus dem Konzept bringen – hat man sich für das Gespräch doch eher seine Erfolge zurechtgelegt.

Und jetzt? Wie so oft stellt dich diese Frage vor die Herausforderung, sowohl ehrlich zu sein als auch strategisch clever zu antworten. Also erst mal ruhig bleiben und dir vor Augen halten, was der Interviewer mit der Frage bezwecken will: Er will sehen, ob du in der Lage bist, Fehler einzusehen und daraus zu lernen.

Die richtige Wahl: Scheitern, aber bitte moderat

Natürlich hast du schon mal etwas falsch gemacht. Mal war es sicher mehr, manchmal weniger dramatisch. Als Beispiel im Bewerbungsgespräch solltest du aber weder davon erzählen, wie du einmal eine Datei in einen falschen Ordner abgelegt, noch wie du in jugendlichem Übermut ein paar Millionen in den Sand gesetzt hast. Ein interessanter, aber vergleichsweise harmloser Misserfolg ist optimal.

Dann gilt: Ehrlich sein! Rede nicht um den heissen Brei und fang bloss nicht mit «aber das ist nur passiert, weil..» an! Viel wichtiger ist, dass du ein klares Fazit ziehst und erläuterst, was du heute anders machen würdest.

Definiere «Misserfolg»

Das Schöne am «Misserfolg» ist, dass es ein recht weit gefasster Begriff ist. Nutze die Tatsache, dass du nicht nach deiner «grössten Katastrophe» gefragt wurdest, zu deinem Vorteil.

Scheitern ist subjektiv. Leg dir am besten schon bei der Vorbereitung für dein Gespräch deine persönliche Definition zurecht – die dann natürlich zu deiner Beispielgeschichte passen muss. Hier ein paar Denkanstösse:

"Versagen bedeutet, gesetzte Ziele und Erwartungen nicht zu erfüllen – sowohl meine als auch die anderer."

"Für mich ist es ein Misserfolg, wenn mich etwas aus heiterem Himmel überrascht. Mein Ziel ist es, über mein Team und deren Arbeit immer auf dem aktuellen Stand zu sein."

"Ich bin gescheitert, wenn ich ein Ziel mit den gegebenen Hilfsmitteln oder Zeit nicht erreiche. Das Überschreiten meines Budgets ist für mich z.B. ein Scheitern."

Das richtige Storytelling

Nun ist es also Zeit für deine Geschichte. Denk dran, dass du im Vorstellungsgespräch und nicht beim Kaffeeklatsch bist: In der Kürze liegt die Würze! Bleib informativ und beschränk dich auf die wesentlichen Fakten, um schnell zum Punkt zu kommen.

Schildere kurz die Situation, in der du die Entscheidung getroffen hast, und weshalb es eine Herausforderung war. Was war deine Aufgabe, dein Ziel und deine Intention? Ausreden und Beschönigungen sind tabu! Du willst glaubwürdig rüberkommen und dein Gesprächspartner muss sehen, dass du Fehler einsiehst und zu ihnen stehst.

Die Lektion für's (Berufs)Leben

Fast geschafft, jetzt kommt endlich wieder der positive Teil – wir sind schliesslich immer noch im Bewerbungsgespräch. Mach deutlich, dass du dich mit den Gründen für den schlechten Ausgang der Situation auseinandergesetzt hast und erklär kurz, was du seitdem anders machst.

Das könnte zum Beispiel so aussehen:

"Der Fehler war die Annahme, dass wir gereinigte Daten unserer Nutzer sammeln könnten. Eine meiner wichtigsten Schlüsse daraus ist: Niemals Vermutungen über Daten & deren Qualität zu machen – den Fehler habe ich nicht noch einmal gemacht."

"Wenn ich die Schwierigkeiten gleich zu Anfang richtig eingeschätzt und gemeldet hätte, hätten wir die Erwartungen unseres Kunden nicht enttäuscht. Das Zögern hat unserer geschäftlichen Beziehung geschadet. Mittlerweile lasse ich mich von unangenehmen Gesprächen über Probleme nicht mehr abschrecken – je früher sie angegangen werden, desto weniger Ärger hat man."

Auch wenn du dich auf sie vorbereitet hast: Die Frage nach dem Scheitern gehört zweifellos zu den unangenehmeren. Leg dir deine Misserfolgs-Story trotzdem bereit – von dieser Frage willst du wirklich nicht eiskalt erwischt werden! Wenn es dazu kommt, erinner dich daran, dass dich hier niemand an den Pranger stellen will. Und dass dein Gesprächspartner in seiner Karriere ganz sicher auch schon mal etwas verbockt hat.