Warum es okay ist, keine Erfüllung im Job zu finden

Traumjob, Berufung, Erfüllung: Ohne Unterlass wird uns von allen Seiten regelrecht eingeprügelt, dass das die einzig wahren Ziele sind. «Nur» ein o...

  • 28. April 2020
  • 3 Min. Lesezeit
  • Max

Traumjob, Berufung, Erfüllung: Ohne Unterlass wird uns von allen Seiten regelrecht eingeprügelt, dass das die einzig wahren Ziele sind. «Nur» ein okayer Job, bei dem man ausreichend verdient und ihn ganz gerne macht, wird schnell mit Versagen oder Resignation erklärt.

Man muss nicht lange nachdenken, um sich zu fragen: Was soll daran Versagen oder Resignation sein, wenn man täglich seinen Job gut und (einigermassen) gerne macht, pünktlich nach Hause geht und sich seinem Leben widmet? Seit wann ist Zufriedenheit an eine steile Karriere gekoppelt? Warum soll jeder einen Sitz in irgendeinem Vorstand anstreben? Und kann überhaupt jeder Beruf auch Berufung sein?

Von Prinzessinnen und Piraten

Allein der Begriff «Traumjob» impliziert, dass zwischen Ausgangssituation und Objekt der Begierde eine ordentliche Kluft zu liegen hat – und es dementsprechend schwierig und unwahrscheinlich sein muss, die persönliche Berufung zu finden und zu bekommen. Tolle Voraussetzungen.

Feuerwehrmann, Tierarzt, Schauspieler oder Profifussballer: Bei nahezu jedem fallen die Träume aus Kindertagen früher oder später der Realität zum Opfer. Die grossen Ambitionen weichen solch langweilig-vernünftigen, aber leider auch notwendigen Aspekten wie Verdienstmöglichkeiten, Arbeitszeiten und vor allem Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Aber bedeutet die Berücksichtigung dieser Dinge zwangsläufig, dass man in sein Unglück rennt? Dann hätte die Mehrheit der Berufstätigen tatsächlich ein grosses Problem.

Wer definiert meinen Traumjob?

Menschenleben oder den Planeten retten, einen Nobelpreis gewinnen oder auf irgendeine andere Weise in die Geschichte eingehen: Klingt in den meisten Ohren nicht schlecht – ist als Messlatte für die eigene Zufriedenheit aber doch wirklich ganz schön sportlich. Das soll natürlich nicht heissen, dass man nach solch grossen Zielen nicht streben soll. Das Problem liegt vielmehr in dem verbreiteten Glauben, dass man danach streben muss. Was aber, wenn man gar keine Lust auf Ruhm und Ehre hat? Wenn man seinen «unbedeutenden» Bürojob gerne macht und es am wichtigsten für einen ist, Zeit für die Familie zu haben? Wenn man einfach kein Karriere-Mensch ist und nach dem Motto «Arbeiten, um zu leben» statt andersherum lebt?

Wer hat das Recht, dir vorzuschreiben, dass du deinen Beruf mit Leidenschaft ausüben musst? Und wer bestimmt, welcher Job als «Erfüllung» durchgeht und welcher nicht? Nur weil der Hausmeister des Spitals nicht das gleiche gesellschaftliche Ansehen wie der Herzchirurg geniesst, muss er a) seine Tätigkeit nicht automatisch schlechter ausüben oder b) unzufrieden mit sich oder seinem Job sein.

Das Glück der Erde

... liegt für die einen eben auf dem Rücken der Pferde, für die anderen im Job, und für wieder andere auf einer Reise durch den Amazonas, in einer sozialen Tätigkeit oder im Familienleben. Die eine persönliche Erfüllung mag leichter zu erreichen sein als die andere – aber dadurch ist sie mit Sicherheit nicht weniger wert.

Wenn du einen Traumjob hast, dann nutz die Möglichkeiten, die sich dir bieten, um ihn zu bekommen – und zwar ganz gleich, welcher es ist! Und wenn du dein Glück an anderer Stelle findest und dir ein «Durchschnittsjob» ausreicht – auch gut! Lass dir bloss nicht einreden, dass man sich dafür schämen muss, wenn man nicht jeden morgen voller Vorfreude aus dem Bett springt und sich restlos begeistert in die Arbeit stürzt. Es geht schliesslich darum, dass dich dein Leben als Ganzes glücklich macht – und wenn du aus falschem Pflichtgefühl einem vermeintlichen Traumberuf hinterherjagst, den du eigentlich gar nicht willst, wird das sehr, sehr schwer.