«You can say you to me» – Duzis in Schweizer Unternehmen

Ein neuer Job ist Grund zur Freude, spannend, aufregend – und ganz schön anstrengend. Neben Aufgabenverteilungen, Programmen und Prozessen muss man...

  • 9. Dezember 2020
  • 3 Min. Lesezeit
  • Max

Ein neuer Job ist Grund zur Freude, spannend, aufregend – und ganz schön anstrengend. Neben Aufgabenverteilungen, Programmen und Prozessen muss man sich auch noch jede Menge Gesichter und Namen merken – und soll sich dann auch noch bei jedem für die korrekte Anrede entscheiden.{:.intro-text}

Wenn du in einem Unternehmen gelandet bist, in dem vom Praktikant bis zum CEO das Du Programm ist (oder die Geschäftssprache Englisch ist): Herzlichen Glückwunsch, du kannst dich gleich den wirklich wichtigen Dingen zuwenden! Alle anderen müssen wohl oder übel erst herausfinden, wer am besten wie angesprochen wird. Damit nicht jede Konversation zur 50:50 Chance wird und möglicherweise mit rotem Kopf endet, hier ein paar Hilfestellungen. Bei der Frage, wie du wen im Unternehmen korrekt ansprichst, gibt es eigentlich nur zwei Regeln:

1. Die Rangordnung kennen und beachten

Der Ranghöhere (deine Vorgesetzten und erfahrenen Kollegen) bieten dem Rangniederen (sorry, das bist in dem Fall meistens du), das Du an. Solange das nicht geschieht, wird weiter gesiezt.

2. Zuhören, beobachten, verstehen

Achte darauf, wie sich deine neuen Kollegen untereinander ansprechen. Mit ein bisschen Fingerspitzengefühl kannst du dann abschätzen, wie du wen ansprichst.

Ob in einem Unternehmen geduzt oder gesiezt wird, hängt auch von der Unternehmenskultur ab. In jüngeren Teams wird meist schneller geduzt.

Verschiedene Höflichkeitskulturen

Viele Deutsche und Franzosen arbeiten in der Schweiz und bringen ihre Höflichkeitsregeln mit. Diese Regeln fallen strenger aus als bei uns, weil in der Arbeitswelt beider Länder strengere Hierarchien herrschen. Wenn du neu ins Unternehmen kommst, pass dich also am besten den Gegebenheiten an.

In Deutschland sind hierarchische Strukturen oft noch gang und gäbe. Wenn du einen (älteren) deutschen Vorgesetzten hast, sei nicht enttäuscht, wenn er auf dem Sie beharrt und dir das Duzi auch nach Monaten nicht anbietet – es ist mit Sicherheit nichts Persönliches! Bei jungen Deutschen wird schneller vom Sie zum Du gewechselt, aber auch hier wirst du möglicherweise etwas länger auf das Du warten müssen als bei deinen Landsleuten.

Franzosen «mischen» gerne die Anrede, indem sie das vous mit dem Vornamen kombinieren. Das haben schon viele Deutschschweizer als Aufforderung zum Duzi missverstanden, weil sie nur ihren Vornamen gehört und sich damit gleich in die Nesseln gesetzt haben. Lass dich also nicht vorschnell von der Verwendung deines Vornamens «beruhigen», sondern hör genau hin, welche Anrede deine französischen Kollegen verwenden.

Die Notlösung: Sprachslalom

Wenn du zu Anfang unsicher bist, wie du deine Kollegen ansprechen sollst und dir der Mut zur Peinlichkeit fehlt, kannst du dich mit der Lehrerkind-Methode aus der Affäre ziehen: Vielleicht hattest du Schulkameraden, deren Eltern an eurer Schule als Lehrer gearbeitet haben. Steht die Mutter des besten Freundes plötzlich als Lehrerin da, hatte man als Schüler ein Problem: Das Du und das Sie wirkten gleichermassen fehl am Platz.

Der Ausweg aus dem Dilemma? Die Anrede vermeiden. So wird zum Beispiel aus «Können Sie das noch mal erklären?» ein «Wie war das noch mal mit…?» oder aus «Können Sie mir helfen?» ein «Ich bräuchte Hilfe.» Ruh dich aber nicht dauerhaft auf diesem Umweg aus, sondern betrachte diese Sprechweise als Übergangslösung, bis du den vollen Durchblick hast, mit welcher Anrede du bei welchem Kollegen auf der sicheren Seite bist.