Zwischen Wunsch und Realität: Das Gehalt

Wenn es um die Suche nach dem Traumjob geht, fallen meist grosse Worte wie Berufung, Herzblut und Selbstverwirklichung. Nüchtern betrachtet bedeute...

  • 14. Juni 2020
  • 5 Min. Lesezeit
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Wenn es um die Suche nach dem Traumjob geht, fallen meist grosse Worte wie Berufung, Herzblut und Selbstverwirklichung. Nüchtern betrachtet bedeutet ein Beschäftigungsverhältnis: Arbeitskraft wird gegen Vergütung getauscht. Klingt unromantisch, ist aber so. Über Geld zu reden, fällt vielen schwer – weil es aber sein muss, machen wir es trotzdem.

In erster Linie suchen wir doch alle einen Job, der Spass macht. Wir wollen uns einbringen, etwas schaffen, hinter dem wir auch stehen, und morgens nicht mit Horror, sondern Tatendrang aus dem Bett fallen. Mit dieser Einstellung kommt man natürlich auch bei Arbeitgebern gut an – schliesslich sucht niemand Mitarbeiter, für die die Tätigkeit Nebensache ist, weil sie nur ans Gehalt denken.

Und weil es auch irgendwie schick ist, einen Job zu haben (bzw. zu suchen), für den man gerne lebt, rutscht vielen schon mal ein «Geld ist nicht so wichtig» heraus. Bitte. Wem wollt ihr eigentlich was vormachen? Man muss sicher nicht darin schwimmen, aber natürlich ist Geld wichtig. Und das ist völlig in Ordnung, schliesslich bezahlen sich Rechnungen nicht mit überdurchschnittlichem Engagement.

Gerade Berufsanfänger sind oft hin- und hergerissen: Man will nicht zu viel verlangen, weil man damit möglicherweise direkt aus dem Bewerbungsprozess fliegt, aber sich unter Wert zu verkaufen und in der zweiten Monatshälfte von Nudeln mit Tomatensauce zu leben, ist auch nicht das Wahre. Wie also rangehen an das heikelste Thema der Jobsuche?

Welche Gehaltsforderung ist realistisch?

Der Begriff «Gehaltswunsch» klingt nach der guten Fee, die plötzlich beim Waldspaziergang erscheint – im Bewerbungsprozess haben Wünsche allerdings nur dann eine Chance auf Erfüllung, wenn sie halbwegs realistisch sind. Bevor du eine x-beliebige Zahl eintippst, nur damit du die Bewerbung abschicken kannst, ist mal wieder Recherche angesagt.

Beim Einstiegsgehalt solltest du weiter denken als bis zu deinen aktuellen monatlichen Ausgaben, denn immerhin ist es die Basis für deine künftige Gehaltsentwicklung. In der Regel gilt: Je höher die Vergütung am Anfang, desto grösser die Sprünge in den kommenden Jahren.

Welches Gehalt realistisch ist, hängt von verschiedenen Faktoren wie dem Abschluss, dem Fachgebiet, der Art und Grösse des Unternehmens und dem Arbeitsort ab. Durchforste das Internet nach Gehaltstabellen und -reports: je mehr, desto besser. Auf vielen Portalen kannst du gezielt nach Branchen, Studienrichtungen und Berufen suchen. Such die Unternehmen, bei denen du dich bewerben willst, auch auf Seiten für Arbeitgeberbewertungen. Sammle alle Daten, die du kriegst, damit du dir ein möglichst genaues Bild von der Gehaltslandschaft machen und deinen persönlichen Marktwert gut einschätzen kannst.

Gehaltstabellen geben meist einen Ober- und Unter- sowie einen Durchschnittswert an. Solltest du keine Werte für das Unternehmen finden, bei dem du dich bewirbst, kannst du am besten von der Firmengrösse auf die Bezahlung schliessen: Grosskonzerne verfügen über ein üppigeres Budget, beim Start-up wirst du dich als Neuling hingegen eher an der unteren Grenze orientieren müssen.

Zahlen, bitte: Fester Betrag oder Gehaltsspanne?

Auch wenn du nur wenige oder weit auseinandergehende Angaben findest, die dich im schlimmsten Fall noch mehr verunsichern: Es ist keine Lösung, die Frage nach dem Gehalt nicht zu beantworten, wenn in der Stellenanzeige darum gebeten wurde. Denn das erweckt den Eindruck, dass du entweder die Anzeige nicht ordentlich gelesen hast oder du Aufgaben, auf die du keine Lust hast, einfach ignorierst. Keine guten Argumente für deine Einstellung.

Die Gehaltsvorstellung wird ganz nüchtern am Ende des Bewerbungsschreibens geäussert, üblicherweise in Form eines Bruttojahresgehalts. Gib im Zweifelsfall an, ob sich die Summe auf 12 oder 13 Monate bezieht – wird dein jährlicher Gehaltswunsch erfüllt, verteilt sich aber auf 13 Monatsgehälter, hast du monatlich weniger, als du eigentlich wolltest.

Beliebt ist auch das Angeben einer Gehaltsspanne – besonders, wenn der Bewerber unsicher ist. Der Nachteil liegt auf der Hand: Wenn du offensichtlich mit dem unteren Wert zufrieden bist, warum sollte dir die Firma dann mehr zahlen? Wenn du dich für die Rahmenangabe entscheidest, sollte der Unterwert also wirklich deine absolute Schmerzgrenze sein oder lieber etwas darüber liegen.

Sinnvoll ist die Angabe eines Gehaltsrahmens, wenn die Tätigkeit nicht klar umrissen ist. Das Bewerbungsgespräch bietet dann die Gelegenheit, auch eine Forderung am oberen Schwellenwert argumentativ zu unterstützen: Bringt die Stelle doch mehr Verantwortung mit sich als angenommen, ist auch eine höhere Vergütung gerechtfertigt.

Verhandlungsspielraum und alternative Leistungen

Eine Gehaltsverhandlung ist kein Feilschen auf dem Basar – in aller Regel auf nicht von Seiten des Arbeitgebers. Auch wenn ein gewisser Verhandlungsspielraum sinnvoll ist, solltest du deine Forderung also nicht zu weit über deinem tatsächlichen Wunsch ansetzen. Sonst riskierst du, gleich die Absage zu kassieren, obwohl deine «echte» Gehaltsvorstellung vielleicht drin gewesen wäre. Blöd, oder?

Wirst du zum Vorstellungsgespräch eingeladen, weisst du schon mal, dass der Arbeitgeber bereit ist, zumindest eine Summe in ähnlicher Höhe zu zahlen. Stellt sich heraus, dass das Gehalt unter deinen Vorstellungen liegt, ergreif nicht gleich wutentbrannt die Flucht. Wenn dir der Job und das Unternehmen zusagen und du die Stelle im Prinzip gerne annehmen willst, versuch erst mal, andere Leistungen aushandeln: Von Bahntickets über mehr Urlaubstage oder geldwerte Vorteile wie Dienstwagen bis hin zu höherer Provision für Sales-Mitarbeiter ist hier viel möglich. Du erinnerst dich? Geld ist nicht alles!

Gehaltsvorstellung = Selbstbewusstsein

Hey, eine Stellenanzeige, die keinen Gehaltswunsch fordert: Da wird die Bewerbung ja zum reinsten Spaziergang! Moment! Manchmal ist es trotzdem eine gute Idee, die Gehaltsvorstellung anzugeben.

Zum einen schaffst du damit von Anfang an klare Verhältnisse. Selbst wenn dir ein Unternehmen absagt, weil es dir nur viel weniger zahlen könnte, sieh es mal so: Wenn du dich über den Hungerlohn sowieso nur aufgeregt und die Stelle nicht angenommen hättest, hast du dir so die Zeit und den Aufwand für das Vorstellungsgespräch gespart.

Zum anderen vermittelst du ein gewisses Selbstbewusstsein: Du weisst, was du wert bist und scheust keine unangenehmen Themen. Eine super Ergänzung zu den Qualifikationen, die du in deiner Bewerbung angepriesen hast – so kann das Unternehmen davon ausgehen, dass du seine Interessen als Mitarbeiter mit ebensolcher Standhaftigkeit vertrittst.

Wenn der Aufgabenbereich nur unklar umrissen ist, du das Unternehmen nur schwer einschätzen kannst und/oder es dich einfach brennend interessiert und du das Vorstellungsgespräch unter allen Umständen willst, lass die Angabe zum Gehalt weg, wenn sie nicht explizit gewünscht ist. Spätestens im persönlichen Gespräch wird es ohnehin diskutiert. Etwas Schlimmeres, als dass ihr euch nicht einig werdet, kann sowieso nicht passieren. Und wer weiss? Vielleicht überzeugst du persönlich ja so sehr, dass die Firma deinem Wunsch entgegenkommt, obwohl eigentlich ein kleineres Budget für die Stelle eingeplant war. Geld ist nämlich auch für Unternehmen nicht alles.