Vorstellungsgespräch oder Verhör? Bei welchen Fragen du schweigen oder lügen darfst

Du hast dich bestens über das Unternehmen informiert, deine Erfahrungen und Stärken für die Position herausgearbeitet, sitzt im Vorstellungsgespräc...

  • 17. Juni 2020
  • 5 Min. Lesezeit
  • Max

Du hast dich bestens über das Unternehmen informiert, deine Erfahrungen und Stärken für die Position herausgearbeitet, sitzt im Vorstellungsgespräch wie die Zuversicht in Person – und wirst plötzlich gefragt, ob du gerne mal einen über den Durst trinkst und wie deine Familienplanung aussieht. Was nun?

Dass Bewerbern im Vorstellungsgespräch unzulässige Fragen gestellt werden, ist zum Glück nicht die Regel. Da du aber bei der Vorbereitung keine halben Sachen machst, sondern für alle Eventualitäten gerüstet sein willst, solltest du dich zur Sicherheit trotzdem mit einigen auseinandersetzen.

Job ist Job, privat ist privat – auch im Bewerbungsgespräch

Im Beruf sollte es in erster Linie um die Qualifikation gehen. Diskriminierung jeglicher Art hat sowieso weder im Vorstellungsgespräch noch in irgend einem anderen Bereich etwas zu suchen. Deshalb hat sich auch der Gesetzgeber mit dem Thema beschäftigt und genaue Regeln darüber aufgestellt, welche Fragen Bewerbern gestellt werden dürfen und welche nicht.

Klar, dass all jene Fragen zulässig sind, die dazu geeignet sind, deine Qualifikation für den Job bewerten zu können. Was waren deine Schwerpunkte im Studium und welche praktischen Erfahrungen hast du bereits gesammelt? Für eine Position im Sales oder als Teamleitung sind natürlich auch Persönlichkeitsmerkmale wie Aufgeschlossenheit, Kommunikationsfähigkeit und Präsentationstalent ausschlaggebend.

Unzulässig sind hingegen Fragen, die nicht in Verbindung mit deiner Eignung für den Job stehen. Solche Themen sind zum Beispiel Fragen zu deiner Gesundheit, deinen Hobbies, sexueller Orientierung, deinen familiären Verhältnissen und deiner religiösen oder politischen Gesinnung. Spoiler: In Ausnahmefällen sind diese Fragen dann doch wieder okay, mehr dazu gleich.

«Und, wie geht’s Ihnen so?» – Fragen zur Gesundheit

Dass es das Unternehmen interessiert, wie oft du voraussichtlich wegen Krankheit fehlen wirst, ist verständlich. Trotzdem darf man dich nicht nach den Ergebnissen deiner letzten Blutuntersuchung fragen, ob du Allergien oder Bluthochdruck hast, ob du im Winter erkältungsanfällig bist oder ob es in deiner Familie Fälle von Herz-Kreislauferkrankungen oder Krebs gibt.

Zulässig sind hingegen Fragen nach gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die deine Leistung im der betreffenden Position langfristig negativ beeinflussen könnten. Ein Bewerber mit Bandscheibenvorfall ist ebenso wenig als Lagerarbeiter geeignet wie jemand mit einer hochansteckenden Krankheit für eine Tätigkeit im Krankenhaus.

«Wann ist es denn bei Ihnen Zeit für Nachwuchs?»

Diese Frage aus dem Mund der Eltern ist leider nicht unzulässig, aus dem eines Personalers schon. Deine Familienplanung ist ausschliesslich deine Sache, und selbst wenn du bzw. deine Partnerin bereits schwanger sein sollte(st), musst du das nicht sagen.

An dieser Stelle mit einem «Sag ich nicht!» oder «Das wüssten Sie gerne, was?» rauszuplatzen, wäre allerdings nicht der klügste Zug. Sag lieber, dass du dich damit noch gar nicht beschäftigt hast, da du ja gerade erst deine Ausbildung abschliesst. Oder dass du dich in nächster Zeit auf deine Karriere konzentrieren möchtest. Ob das stimmt oder nicht, ist übrigens egal. Du darfst hier ganz offiziell lügen, denn das sind deine privaten Angelegenheiten, die deinen potentiellen Arbeitgeber nichts angehen.

Ausnahme auch hier: Wenn eine Schwangerschaft das Ausüben der Tätigkeit unmöglich macht (weil sie etwa intensive körperliche Anstrengung mit sich bringt), müssen die Damen die Wahrheit sagen.

Fragen zu Religion und Politik

Diese Fragen fallen manchmal (scheinbar) nebensächlich im Rahmen von etwas Smalltalk. Natürlich muss hier nicht immer die Absicht dahinter stecken, dich auszuspionieren – du sollst aufmerksam sein, nicht paranoid. Trotzdem sind diese Themen naturgemäss heikel. Wenn dein Gesprächspartner deine Meinung oder deinen Glauben teilt, kann das im Gespräch durchaus verbindend wirken. Genauso gut kann aber eben auch der entgegengesetzte Fall eintreten.

Welche Partei du gewählt hast oder ob du religiös bist, hat in der Regel rein gar nichts mit deiner Arbeit zu tun. Du musst darauf also nicht antworten. Die elegantere Lösung ist aber eine neutrale, diplomatische Antwort: Zum Beispiel findest du es wichtig, dass Leute politisch interessiert und engagiert sind, ihre Meinung aber Privatsache ist.

Etwas anders sieht es aus, wenn du dich bei einem Unternehmen bewirbst, das auf eine bestimmte Weltanschauung verpflichtet ist, wie etwa ein Kindergarten in kirchlicher Trägerschaft oder eine politische Stiftung. In einem solchen Fall wäre ist es natürlich von Vorteil, wenn du die gleichen Ansichten wie dein potentieller Arbeitgeber vertrittst – für beide Seiten.

Was für ein Unternehmen stellt solche Fragen?

Vielen Bewerbern fällt es schwer, eine Antwort schlichtweg zu verweigern, auch wenn sie wissen, dass es in Ordnung ist. Schliesslich hat man sich so über die Einladung zum Vorstellungsgespräch gefreut und viel Zeit und Energie in die Vorbereitung investiert. Da ist es doch besser, zu antworten, als den Job zu riskieren, oder?

Denk noch mal drüber nach: Mal abgesehen davon, dass der Interviewer offensichtlich kein Problem damit hat, dich in eine unangenehme Position zu bringen – was sagt so ein Vorgehen eigentlich über die Firma aus? Fest steht, dass Gesetzestreue und das Respektieren der Privatsphäre hier schon mal nicht gross geschrieben werden.

Ist dir die Stelle so wichtig, dass du dafür ein von Misstrauen geprägtes Arbeitsklima in Kauf nehmen würdest, in dem du dich beobachtet und nicht respektiert fühlst? Wenn dem so ist, mach das Beste draus. Wenn du dich ohnehin eher nicht in der Firma siehst, kannst du die Antwort auch gerade heraus verweigern. Vielleicht profitiert ja der nächste Bewerber davon.

Die meisten deiner Vorstellungsgespräche werden frei von unzulässigen Fragen sein – Personaler wollen dich weder fressen noch verschrecken, sondern tatsächlich kennenlernen. Trotzdem ist es gut, wenn du die schwarzen Schafe sofort erkennst und dich schnell fragen kannst: Will ich wirklich ein Viertel meiner Zeit hier verbringen? Oder kann die Firma nach diesem Vorstellungsgespräch nur die Absage kassieren?