Im Meeting mit Zuckerberg – Praktikanten zwischen Wertschätzung und Kaffeekochen
Jede Kritik und jede Idee wird angehört, ob sie vom langjährigen Mitarbeiter oder vom Praktikanten kommt: Ein derart demokratisches Klima schreibt ...
- 22. Juni 2020
- 4 Min. Lesezeit
- Max

Jede Kritik und jede Idee wird angehört, ob sie vom langjährigen Mitarbeiter oder vom Praktikanten kommt: Ein derart demokratisches Klima schreibt sich – besonders in Stellenanzeigen – manch ein Unternehmen auf die Fahne. Dass die Realität oft anders aussieht, wissen viele, die schon das ein oder andere Praktikum hinter sich haben.
«Spannende Aufgaben», «vielfältige Tätigkeitsbereiche» und «flache Hierarchien»: Solche oder ähnliche Versprechen finden sich in nahezu jeder Praktikumsausschreibung. Schliesslich sucht man ja auch genau das, wenn man sich für den Berufseinstieg vorbereiten und anschliessend richtig schön durchstarten will.
Blöd nur, wenn sich die vielseitigen Aufgaben als Briefkastenleeren, Exceltabellen befüllen und Klopapierkaufen herausstellen und die flachen Hierarchien bedeuten, dass man keinen Ansprechpartner hat, weil man im blanken Chaos gelandet ist.
Viel Arbeitszeit, wenig Substanz
Dass Praktikanten mit interessanten Aufgaben gelockt und in Wirklichkeit zum Kaffeekochen abgestellt werden, ist zum Glück mehr Legende als die Regel. Vielmehr können sie sich selten über zu wenig Arbeit beklagen und kommen oft auf ebenso viele Überstunden wie die Festangestellten des Unternehmens. Leider ist diese Zeit in vielen Fällen nicht mit Aufgaben gefüllt, die Verantwortung und Initiative fordern: Vielmehr ist der Prakti immer noch oft derjenige, auf den in erster Linie unliebsame Aufgaben abgewälzt werden.
Immerhin sind Praktikanten nicht nur motivierte, unverbrauchte und nicht zuletzt günstige Arbeitskräfte – mit unvoreingenommenem Blick auf das Unternehmen bringen sie auch neue Ideen und Lösungsansätze mit. Allzu oft wird diese Ressource jedoch verkannt. Wichtige Meetings spielen sich hinter Türen ab, die Praktikanten verschlossen bleiben. Wenn sie sich wieder öffnen, bekommen sie Aufgaben zugeteilt, die sie abarbeiten dürfen.
Frische Ideen und Imagepolitur auf einen Streich
Dass Praktikanten wirklich auf Augenhöhe mit den Festangestellten arbeiten, ist eher in kleinen Unternehmen an der Tagesordnung. Ohne komplizierte Hierarchiegebilde und lange Entscheidungswege, dafür mit Raum für Ideen und mehr als genug Aufgaben für alle fällt die Gleichbehandlung eben vergleichsweise leicht. Wie aber sieht es mit grossen Unternehmen aus? Oder mit richtig grossen? Tatsächlich kann es auch da bestens funktionieren, wie eine ehemalige Facebook-Praktikantin kürzlich dem Business Insider erzählte.
Führungskräfte verstecken sich nicht in abgeschlossenen Büros, und vom Praktikanten bis zum Chef arbeiten alle an den gleichen Schreibtischen mit der gleichen Ausstattung. An CEO Mark Zuckerberg erinnert sie sich als «netten Typen, der immer gegrüsst hat, auch wenn er nicht genau wusste, wer ich bin.» Ihr Vorgesetzter nimmt sie sogar in ein Meeting mit dem Facebook-Gründer mit – hier sagt sie zwar wenig, lernt aber viel. Die Erfahrung will sie auf jeden Fall nicht missen.
Auf Glassdoor bewerten Facebook-Praktikanten ihren (ehemaligen) Arbeitgeber mit durchschnittlich von 4,7 von 5 Punkten. Als Begründung tauchen zwar – wenig verwunderlich – immer wieder die zahlreichen Extras wie kostenloses Essen, Spielcenter und Mitarbeiterevents auf, ebenso wird aber gelobt, dass Praktikanten voll in aktuelle Projekte einbezogen werden und der Lerneffekt entsprechend gross ist. Viel besser kann man sich beim jungen, gut ausgebildeten und engagierten Nachwuchs kaum beliebt machen.
Was gut für die Praktikanten ist, ist gut fürs Unternehmen
Produktive Mitarbeiter und die perfekte Imagepflege durch positives öffentliches Feedback – angesichts der Vorteile für das Unternehmen ist es schwer nachzuvollziehen, warum Praktikanten teilweise immer noch als bessere Handlanger eingesetzt werden. Die Rechnung ist doch eigentlich ganz einfach: Ständig darum betteln zu müssen, um angehört zu werden, ist mühsam und frustrierend. Praktikanten, die sich als ein vollwertiger Teil des Unternehmens geschätzt fühlen, bringen sich also auch mehr ein. Und sie reden positiv über das Unternehmen. Das ist es, was man Win-Win nennt.
Wirklich wissen, was einen erwartet, kann man nie. Aber fragen kann man, und das solltest du auch tun: Sprich im Vorstellungsgespräch die konkreten Aufgaben an, die auf dich zukommen und frag, wie dein Arbeitsalltag aussehen wird. Wenn du nur schwammige Antworten bekommst, die etwas mit «interessanten Aufgaben» und «vielseitigen Tätigkeiten» zu tun haben, solltest du vorsichtig sein. Grundsätzlich ist es immer sinnvoll, Portale für Arbeitgeberbewertungen zu checken, um zumindest einen Eindruck davon zu bekommen, was dich erwarten könnte.
Probieren beim Studieren
Klar, Sicherheit hast du erst, wenn du die Stelle wirklich antrittst. Es kann sich immer herausstellen, dass die (positiven wie negativen) Bewertungen von jemandem abgegeben wurden, der offensichtlich völlig anders tickt als du. Einen einigermassen realistischen und verlässlichen Eindruck kann man ohnehin nur bei einer ausreichend hohen Anzahl an Bewertungen erwarten. Im Zweifel also einfach machen, es ist ja nicht für die Ewigkeit. Solltest du mit einem Praktikum tatsächlich mal ins Klo gegriffen haben, verbuch es unter «Erfahrungen», freu dich, dass es ja nach ein paar Monaten ohnehin vorbei ist und dass du schon mal weisst, wo du dich nach dem Abschluss nicht bewerben wirst.
Umgekehrt gilt: Fühlst du dich beim Praktikum wertgeschätzt und gut aufgehoben, hast du schon eine top Option für den Berufseinstieg und eine Menge wertvolle Kontakte. Bleibt zu hoffen, dass sich immer mehr Unternehmen zum Glücksgriff für Praktikanten mausern.
Welche Praktikums-Erfahrungen hast du gemacht? Erzähl es uns in den Kommentaren!