(Nicht) Deine Uhrzeit? Von Frühaufstehern und Morgenmuffeln

Wir lieben es, Menschen Kategorien zuzuordnen: Kaffee oder Tee? Hund oder Katze? 945 ungelesene E-Mails oder Null? Und wir sehen diese Kategorisier...

  • 9. Dezember 2020
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Wir lieben es, Menschen Kategorien zuzuordnen: Kaffee oder Tee? Hund oder Katze? 945 ungelesene E-Mails oder Null? Und wir sehen diese Kategorisierung als ebenso gegeben an wie männlich oder weiblich, gross oder klein. «Man ist eben so.» Warum wird dann von allen verlangt, Frühaufsteher zu sein (oder werden zu können)?{:.intro-text}

Das Argument «Ich bin eben so» bietet natürlich auch die Möglichkeit, es sich in «seiner» Schublade gemütlich zu machen: Ich bin eben unordentlich, deshalb versuche ich gar nicht erst, aufzuräumen. Ich bin eben unpünktlich, dann könnt ihr euch doch gleich darauf einstellen, dass ich eine halbe Stunde später zum Termin erscheine.

Wer kategorischen Langschläfern aber unterstellt, ihr Nachtmenschendasein als Ausrede zu benutzen, tut ihnen Unrecht. Denn die Chronotypen «Lerchen» und «Eulen» gibt es tatsächlich. Und sie unterscheiden sich in erster Linie durch ihren Tag-Nacht-Rhythmus.

Schuld sind mal wieder die Gene

Um es gleich vorwegzunehmen: Der Chronotyp ist genetisch bedingt, kann im Laufe des Lebens aber auch wechseln. So sind zum Beispiel viele als Kleinkind eine Lerche (junge Eltern werden dir das bestätigen), wandeln sich in der Pubertät zur Eule und entwickeln sich im Alter wieder zur Lerche – wie das Leben eben so spielt.

Uns geht es hier vor allem ums Erwachsenenalter – genauer gesagt, um die vielen Jahre im Beruf, in denen man die Zeit des Weckerklingelns nur bedingt flexibel bestimmen kann. Beginnt dein Tag, sobald die Sonne dir ins Gesicht scheint und du voller Tatendrang aus dem Bett springst? Oder blühst du erst richtig auf, wenn sich der Rest bereits wieder zu Bett legt und du deinen Gedanken in Ruhe freien Lauf lassen kannst? Ob Lerche oder Eule, die Kunst besteht darin, dein Potenzial optimal auszuschöpfen.

Der frühe Vogel

Die Lerche genoss lange Zeit ein besseres Ansehen als ihr Gegenpart. Die Redensarten «Der frühe Vogel fängt den Wurm» oder «Morgenstund hat Gold im Mund» spielen diesem Klischee in die Hände. Auch der schulische und berufliche Tagesablauf gestaltet sich zu ihren Gunsten. Und nicht nur das: Tatsächlich sind viele erfolgreiche Unternehmer wie Tim Cook (CEO Apple, Aufstehzeit 4.30) und Richard Branson (Gründer Virgin Group, Aufstehzeit 5.45) bekennende Lerchen. Für dich als Lerche bedeutet das konkret:

  • Da du bereits am Morgen aktiv und produktiv bist, lohnt es sich, anstehende Aufgaben gleich zu erledigen. Dann hast du früher Feierabend und kannst dich entspannen – was schliesslich notwendig ist, wenn auch der nächste Tag wieder früh startet.
  • Die Nacht ist für dich zum Schlafen da, so dass du den nächsten Tag jeweils fit und munter in Angriff nehmen kannst. Nur weil deine Freunde regelmässig bis nach Mitternacht mit diesem und jenem beschäftigt sind, muss das nicht automatisch auch für dich gelten. Zwing dich nicht zum Wachbleiben!
  • Als Frühaufsteher hast du Zeit zu frühstücken. Für viele Lerchen ist das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages – schliesslich brauchen sie ja auch genug Energie für die vergleichsweise lange Zeit bis zur Mittagspause.
  • Zu den typischen Charaktereigenschaften von Lerchen werden Optimismus, Gewissenhaftigkeit und Zufriedenheit gezählt

Die Nacht-Eule

Für Eulen stellt der klassische Rhythmus der Gesellschaft oft ein Problem dar. Um zur vorgegeben Zeit im Büro zu erscheinen, müssen sie sich Tag für Tag unter grösster Anstrengung aus dem Bett quälen, an Produktivität ist in den Stunden bis zum Mittag kaum zu denken, und wenn sie endlich warm gelaufen sind, ist auch schon wieder Feierabend – und immer noch mehr als genug Arbeit übrig.

Als wäre das noch nicht genug, haben sie oft mit Vorurteilen zu kämpfen, die sie als faul und passiv abstempeln. Die gute Nachricht: Inzwischen haben schon mehrere Studien das Image der Eulen ziemlich aufpoliert. Das ist deine Spezies? Dann findest du dich wahrscheinlich hier wieder:

  • Spätnachmittags bis nachts ist deine Konzentration höher – weil du jetzt richtig wach bist und nicht von allen Seiten mit Fragen, Anrufen und E-Mails überschüttet wirst
  • Deine Kreativität und dein «out-of-the-box-Denken» sind tendenziell höher als bei deinen frühaufstehenden Bekannten und Kollegen. Ausserdem bist du wahrscheinlich risikobereiter als sie. Schon mal über ein Dasein als Jungunternehmer nachgedacht?
  • Dank deines Biorhythmus bist du ein geborener Nachtschwärmer und hast kein Problem damit, auch die Zeit nach einer Happy Hour noch für einen produktiven Block zu nutzen, bevor du dich aufs Ohr haust.
  • Studien zufolge haben Frühaufsteher ein höheres Level an Cortison (Stress-Hormon), während die Nachteulen beim Aufwachen eine geringere Dosis abbekommen und daher entspannter (oder, je nach Uhrzeit, müder) in den Tag starten.
  • Ein grosser Pluspunkt für die Eule besteht darin, sich mit ein wenig Anstrengung und vor allem Gewohnheit auch an den «9to5-Ablauf» anpassen zu können und mit einigen Hilfsmitteln (u.a. kalte Dusche & Kaffee) ebenfalls einigermassen schwungvoll in den Tag starten können.

Nutz deine Ruhephasen – egal zu welcher Uhrzeit

Sowohl bei Lerchen als auch bei Eulen setzt die kreative Phase in den «off hours» ein, also in Phasen, in denen das Gehirn nicht mehr beziehungsweise noch nicht fokussiert sein muss (in der Regel auf die Arbeit). Dann können die Gedanken schweifen, der Horizont erweitert sich fast automatisch und man ist offener für neue Inputs und Ideen.

Diese kommen dir noch schneller, wenn du beispielsweise durch Duschen, Autofahren oder Laufenabgelenkt bist – oder eine andere Tätigkeit, die keine sonderliche Denkleistung erfordert.

Und was, wenn du dich als Mischtyp irgendwo zwischen Eule und Lerche wiederkennst? Keine Sorge: Auch die Varianten «früh aufstehen, aber spät schlafen gehen» und «spät aufstehen und früh schlafen gehen» sind laut Studien vorhanden und nicht allzu ungewöhnlich. Hör auf deinen Körper und beobachte deine Leistungshochs und –tiefs, um das Beste aus dem Tag bzw. der Nacht zu machen.