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«Die zwischenmenschliche Dimension wird immer wichtiger» – Philipp Angehrn, Managing Partner bei Roland Berger Zürich

Philipp Angehrn, Managing Partner bei Roland Berger Zürich, erklärt im Interview, was einen guten Berater ausmacht, warum Spass an der Arbeit so wi...

  • 31. März 2020
  • 10 Min. Lesezeit
  • Max

Philipp Angehrn, Managing Partner bei Roland Berger Zürich, erklärt im Interview, was einen guten Berater ausmacht, warum Spass an der Arbeit so wichtig ist – und warum man sich beim Studieren ruhig mal ein Jahr länger Zeit lassen kann.

Herr Angehrn, Sie sind Managing Partner bei Roland Berger Zürich. Wie kann man sich Ihre täglichen Aufgaben und Tätigkeiten vorstellen?
Die Frage ist schwierig für mich zu beantworten, weil jeder Tag wirklich extrem anders ist. Meine Agenda ist typischerweise sehr voll. Wenn ich morgens ins Büro komme, weiss ich noch nicht, was mich alles erwartet. Es ist auf jeden Fall immer abwechslungsreich und auch sehr herausfordernd.

Meine primäre Tätigkeit ist die Beratung von Kunden. Dazu kommen natürlich noch interne Aufgaben wie HR oder Mentorenjobs. In Zürich haben wir 50 Mitarbeiter, von denen zehn meine Mentees sind; also diejenigen, die ich betreue und denen ich dabei helfe, ihre Karriere möglichst erfolgreich zu gestalten. Auch die Weiterentwicklung von Mitarbeitern allgemein gehört zu meinen Aufgaben, und zwar sowohl on the job als auch off the job. Bei ersterem arbeite ich mit Mitarbeitern zusammen an Projekten und gebe ihnen dort direkt mein Verständnis weiter. Off the job wiederum bedeutet, dass ich Trainings zu bestimmten Themen gebe.

Und schliesslich bin ich auch verantwortlich für sämtliche interne Funktionen, wenn es etwa um die Abstimmung zur Positionierung in der Presse oder um Marketing generell geht. Es ist ein sehr breites Tätigkeitsfeld und es liegen viele Entscheidungen bei mir und bei meinen Partnerkollegen.

Ganz allgemein bin ich immer viel am Kommunizieren, sei es in Meetings, am Telefon oder per E-Mail. Dazu kommen steuernde Aktivitäten – auf Kundenprojekten oder intern.

Ein breites Aufgabengebiet also. Womit haben Sie inhaltlich zu tun?
Ich berate auf einem breiten Gebiet, in vielen verschiedenen Industrien. In der Schweiz bin ich verantwortlich für die Financial Service Industrie (Banken, Versicherungen, die Börse etc.). Wir haben Projekte in den Bereichen Strategie, Kosten, Kostensenkung, Effizienzsteigerung, Transformation. Das bedeutet: wenn eine Industrie sich verändert – wie z. B. die Headhunter-Industrie durch Talendo und andere digitale Anbieter – dann wird das Bisherige in ein neues Geschäftsmodell transformiert. So wird sich zum Beispiel auch die Bankenwelt durch die Fintech-Industrie verändern: Man wird morgen nicht mehr auf die gleiche Art Geschäfte machen wie heute. Entsprechend gibt es diese Transformationsprojekte.

Des Weiteren bin ich stark im Restrukturierungsbereich zuhause. Dieser ist industrieübergreifend. Zudem bin ich verantwortlich für die ganze Sparte „Healthcare" bei Roland Berger in Zürich. Das heisst Fusion, Kosten und auch Immobilienthemen von Spitälern. Eine Spitalstrategie muss Jahrzehnte überdauern. Entsprechend ist hier die Infrastruktur immer ein wichtiges Thema: Wie viele Betten brauche ich, wo brauche ich sie, etc.

Sie sehen also, anders als Industriespezialisten arbeiten wir eher industrieübergreifend, mit einem sehr breiten Spektrum, top line und bottom line-Themen.

Welche Skills neben der Kommunikationsfähigkeit, die Sie bereits angesprochen haben, sind besonders wichtig für die Position eines Managing Partners?
Der Managing Partner ist eine Funktion innerhalb des Beratertums. Und ein Berater braucht ein grosses Interesse daran, Dinge zu analysieren und zu verstehen; zu verstehen, wo die wichtigsten Hebel sind, um etwas vorwärts zu bewegen. Er braucht den Antrieb, etwas zum Positiven zu verändern. Und er benötigt logisches Denkvermögen.

Sie sehen schon: An und für sich ist kein bestimmter Studiengang notwendig. Ein Manager lernt vielleicht eine andere Art logischen Denkens als ein Betriebswirtschaftler. Wieder andere Mitarbeiter kommen eher von der sprachlichen Logik her und gerade Juristen sind gut darin, Dinge sehr exakt zu beschreiben und zu vermitteln, was auch sehr wichtig ist. Es gibt immer verschiedene Möglichkeiten, Probleme zu analysieren und anzugehen. Und je mehr Sie ein Team mischen, desto besser wird das Resultat typischerweise sein. Man sollte sicherlich ein betriebswirtschaftliches Basiswissen oder zumindest ein Interesse daran haben, wenn man Berater bei Roland Berger werden will. Das notwendige Grundwissen kann man durchaus on the job ausbilden – vorausgesetzt, das Interesse und der Lernwille sind gegeben.

Weiterhin ist ein gutes Gespür für Menschen sehr wichtig: Ich würde sagen, 30 bis 40 Prozent ist Lösung, 60 bis 70 Prozent sind Kommunikation und Interaktion mit Mitarbeitern des Kunden, Verständnis von Situationen. Bei Grossfirmen, die wir typischerweise beraten, geht es immer um eine Interaktion von Menschen. Von der Kreation bis zur Umsetzung einer Lösung müssen bzw. dürfen Sie sehr viel mit Menschen arbeiten – und Sie müssen sie dazu bewegen, etwas zu tun, etwas zu verändern. Ein Mensch hat, besonders in einem Grossunternehmen, typischerweise ein gewisses Sicherheitsbedürfnis. Um hier etwas zu bewegen, müssen Sie die Situationen lesen können, die Menschen verstehen und mit ihnen umgehen können, gerne kommunizieren. Das sind die Grundvoraussetzungen für einen guten Berater.

Ein Managing Partner muss in erster Linie ein guter Berater sein und das dann auch intern anwenden. Er muss das System verstanden haben und verstehen, wie er die Leute motivieren kann, Ausserordentliches zu leisten.

Kommen wir zum Unternehmen Roland Berger selbst: Was zeichnet die Unternehmenskultur aus und worin unterscheidet sich Roland Berger von anderen Unternehmen der Branche?
Das Arbeitsumfeld bei Roland Berger bietet viel Raum für eigene Ideen und deren Umsetzung. Neue Kollegen, egal ob Praktikanten oder Festangestellte, sind vom ersten Tag an vollwertige Teammitglieder und werden schnell integriert. Unsere Unternehmenskultur spiegelt sich in den gelebten Werten "Entrepreneurship, Excellence and Empathy" wider. Entrepreneurship fängt bei uns sehr früh an: Auch wenn Unternehmertum bisweilen ein etwas abgedroschener Begriff ist, müssen die Mitarbeiter bei uns etwas schaffen und sich engagieren wollen, sonst sind sie am falschen Ort. Sie bekommen von uns nicht morgens um acht ein Thema und müssen es bis abends um acht abarbeiten, immer in dem Wissen, was genau zu tun ist. Vielmehr müssen Sie den Berater darstellen, Sie müssen eine Neugierde entwickeln und sich überlegen, was man verbessern kann – typischerweise innerhalb eines gewissen Rahmens. Sie bekommen also keine vollständigen Vorgaben vom Partner oder dem Projektleiter, sondern vielmehr eine Problemstellung, in der Sie sich zurechtfinden müssen – und das schon sehr früh. Dementsprechend können Sie bei uns auch früh in die Firmenentwicklung eingreifen.

Excellence ist ein weiteres wichtiges Thema: Es geht dahin, dass wir einen ausserordentlichen Service bieten müssen, sonst werden wir nicht angefragt. Und Empathy bedeutet: Wir müssen uns in die Kundensituation einfühlen können und für den Kunden unser Bestes geben. Das ist in unserer Kultur verankert und schafft ein Arbeitsumfeld, das viel Raum für Ideen bietet.

Roland Berger hat einen europäischen Ursprung: Wir haben von Anfang an in verschiedenen Kulturen und Sprachen gearbeitet, wir schätzen Vielfalt an Persönlichkeiten und fördern Individualität. Jeder hat seine eigenen Stärken, die wir ausbauen wollen. Nur ein authentischer Berater kann das Vertrauen des Kunden gewinnen.

Was uns von anderen unterscheidet, ist vor allem, dass wir nicht nur innerhalb von Roland Berger unternehmerisch tätig sind, sondern auch direkt beim Kunden umsetzen. Wir mögen es nicht, Konzepte zu schreiben, die dann in der Schublade versauern. Wir wollen, dass etwas passiert und sind dadurch sehr erfahren in der Umsetzung, das von uns oder gemeinsam mit dem Kunden definierte Ziel zu erreichen. Wir begleiten den Kunden also länger als unsere Konkurrenz.

Wem würden Sie den Einstieg bei Roland Berger empfehlen? Welche Art von Menschen suchen Sie?
Wir suchen Leute, die Lust haben, ihre eigene Geschichte zu schreiben, eigene Spuren zu hinterlassen, die sich mit Ideen einbringen und unternehmerische Freiheiten ausnutzen wollen. Es gibt Beispiele von jungen Mitarbeitern, die kommen an ihrem zweiten Tag in mein Büro und sagen: «Philipp, ich habe diese und jene Idee, wollen wir mal mit diesem Kunden über dieses Thema reden?» Das ist das Unternehmertun, was wir suchen. Das Gleiche gilt für interne Themen. Wenn jemand sagt «Hier läuft etwas nicht so, wie ich mir das vorstelle. Können wir das mal zusammen anschauen?», dann schauen wir uns das an und setzen es um. Diese Neugier, nicht einfach immer zufrieden sein mit der aktuellen Situation, sondern sie immer verbessern wollen: Das ist es, was wir suchen. Auch wenn die Tätigkeit sicher eine gewisse Erfahrung erfordert, sind konkrete Studiengänge oder ähnliche Anforderungen nebensächlich. Wenn jemand in seiner Laufbahn diese Exzellenz bewiesen hat – sei es an der Uni, bei Praktika oder Auslandsaufenthalten – dann gehen wir davon aus, dass er auch bei uns eine gute Performance abliefert.

Selbstverständlich sind ein sehr guter Schul- und Universitätsabschluss, mehrmonatige Auslands- und Praxiserfahrung, interkulturelle Offenheit, Teamfähigkeit, Unternehmergeist und gewinnende Persönlichkeit dennoch wichtige Voraussetzungen für einen Start bei Roland Berger.

Also Sie suchen nicht gezielt nach BWLern? Das denkt man ja immer im Bereich Beratung.
Alle Studienfächer sind bei uns willkommen. Wichtig ist, dass man sein Fach gut und mit Leidenschaft studiert hat. Voraussetzung ist jedoch ein Interesse an betriebswirtschaftlichen Themen.

Wir haben eine Mischung von etwa 40/40/20: 40 Prozent Betriebswirtschaftler, 40 Prozent Ingenieure und der Rest nochmal ganz was anderes. Ich hab zum Beispiel auch schon einmal einen Theologen eingestellt – das ist schon eher aussergewöhnlich, aber es kommt vor. Auch wenn die meisten Betriebswirtschaftler oder Ingenieure sind, gibt es auch mal andere Studiengänge bei uns. Und das soll auch so sein: Wenn Sie ihre Fähigkeiten richtig einsetzen können, dann macht das sehr viel Spass und bringt das Team als Ganzes voran.

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Welche Tipps würden Sie Absolventen für den Einstieg ins Berufsleben geben?
Ich würde allen den Tipp geben, ein paar Praktika zu machen und da am Anfang der Karriere möglichst in die Breite zu gehen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich Leute teilweise in unbekannte Themen hineinentwickeln. Und wie soll man seine Passion finden, wenn man nicht die ganze Breite kennt? Also nicht sagen «Ich möchte in die Beratung, also mache ich drei Beratungspraktika», sondern ruhig mal in verschiedene Unternehmen gehen: in die Industrie, in die Bank und in ein Handelsunternehmen.

Fast jeder zweite Neueinsteiger bei Roland Berger hat zuvor ein Praktikum bei uns gemacht, um zukünftige Kollegen kennenzulernen und Einblicke in den Beratungsalltag zu gewinnen. Mit Erfolg – denn oft bietet eine exzellente Leistung im Praktikum die Möglichkeit, dann ohne neues Auswahlverfahren schon ein Angebot für den Festeinstieg zu erhalten. Wichtig ist, zu schauen, was einen wirklich interessiert, was einen treibt und was einem Spass macht. Besonders jemand, der Karriere machen möchte, verbringt einen Grossteil seiner Lebenszeit bei der Arbeit – da sollte es unbedingt auch Spass machen!

Welche Qualifikationen und Fähigkeiten werden Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen?
Durch unsere europäischen Wurzeln schätzen wir interkulturelle Sicht- und Herangehensweisen. Diese Qualifikationen werden durch eine voranschreitende Globalisierung auch in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Früher haben wir mehr Theorie gewälzt, mehr Analyse ohne den Kunden gemacht. Heute arbeiten wir viel mehr mit dem Kunden zusammen, unterstützen ihn in der Lösungsdefinition und in der Umsetzung, um seine Ziele zu erreichen. Früher war es von grossem Wert, einen Informationsvorsprung, ein Benchmarking zu haben oder sich im Unternehmensdschungel auszukennen. Heute ist Information nicht mehr „verkaufbar", sondern wird als gratis erachtet. Auf Wissensfragen haben Sie dank Google in zwei Sekunden eine Antwort. Es wird immer wichtiger, den Prozess zu begleiten. Es geht nicht darum, dem Kunden eine fertige Strategie vorzulegen, sondern vielmehr darum, den Prozess gemeinsam zu definieren, abzuarbeiten und schliesslich mit der Umsetzung die Ziele zu erreichen.

Vernetztes Denken und digitales Know-how zur Unterstützung unserer Kunden in einer „disruptiven", sich schnell verändernden Welt sowie die zwischenmenschliche Dimension auszuloten, werden immer wichtiger.

Zum Abschluss: Was würden Sie Studenten allgemein noch gern mit auf den Weg geben?
Ich sehe immer wieder, dass Studenten ihr Studium in Rekordzeit absolvieren möchten. Dabei ist es viel wichtiger, breite Erfahrungen zu sammeln. Das heisst natürlich nicht, dass man sich zehn Jahre Zeit lassen und als ewiger Student in der Bar sitzen soll – aber man kann durchaus mal etwas Sinnvolles dazwischen machen. Man muss nicht in drei Jahren fertig sein, sondern kann durchaus vier oder fünf Jahre studieren, wenn man denn die Zeit sinnvoll nutzt. Ich glaube, das bringt ein besseres Profil, einen besseren Charakter. Man gewinnt Lebenserfahrung, die unbedingt notwendig ist. Wie ich schon sagte: Es wird immer wichtiger, zwischenmenschlichen Kontakt zu pflegen und Leute zu bewegen. Da ist ein Charakterkopf besser als Berater geeignet als ein stilles Mäuschen. Und für die Lebenserfahrung ist es natürlich hilfreich, wenn man das Studium mit Themen jenseits des Hörsaals bereichert, sei es in Form von Auslandsaufenthalten, studentischen Initiativen, Praktika oder ähnlichem.