Es war einmal... Storytelling im Vorstellungsgespräch

Ein gutes Vorstellungsgespräch gleicht einem Seiltanz: Du musst dem Recruiter alle Fakten rund um deine Eignung für die Stelle liefern und gleichze...

  • 14. Dezember 2020
  • 4 Min. Lesezeit
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Ein gutes Vorstellungsgespräch gleicht einem Seiltanz: Du musst dem Recruiter alle Fakten rund um deine Eignung für die Stelle liefern und gleichzeitig sympathisch sein, Persönlichkeit zeigen und einen möglichst guten Draht zu ihm aufbauen. Easy? Nicht wirklich. Unmöglich? Auf gar keinen Fall.{:.intro-text}

Man soll es also hinbekommen, dass sich eine Auflistung aus Qualifikationen, Erfahrungen, Praktika etc. nach einem interessanten, unterhaltsamen Plausch anfühlt. Und wie sollst du das bitte anstellen? Eigentlich ganz einfach: Erzähl Geschichten!

Gut erzählt ist halb gewonnen

Jeder hört gern einer gut erzählten Geschichte zu: Es ist interessant zu erfahren, wie Dinge zusammenhängen, wie eins das andere bedingt, und man will wissen, wohin die Ereignisse noch führen. Kein Wunder, dass unser Gehirn beim Hören einer Geschichte viel aktiver ist als beim Lesen der Börsenkurse oder der Aufzählung nackter Fakten – und diese Aktivität bewirkt, dass sich die Inhalte fester im Gedächtnis verankern.

Manche Fragen sind hier regelrechte Steilvorlagen – insbesondere jene, die mit «Erzählen Sie mir von einer Situation, in der Sie...» beginnen. Wenn du hingegen nur ein «Wie gehen Sie mit Stress um?» oder ein «Was ist Ihre grösste Schwäche?» zu hören bekommst, beantworte die eigentliche Frage schnell und geh dann zu einer Geschichte über, die deine Antwort untermauert.

Halte dich an die folgenden Hinweise, um im nächsten Interview mit toll erzählten Antworten herauszuragen und gleichzeitig dein Präsentationstalent zu demonstrieren.

Das Wichtigste zuerst

Anders als bei einem guten Witz kommt die Pointe im Interview nicht am Ende, sondern gleich am Anfang. Beantworte die Frage mit einem pointiert formulierten Satz, sodass du sofort die Aufmerksamkeit des Recruiters hast.

Beispiel:

  • “Welche Charaktereigenschaft kommt Ihnen im Berufsleben zugute?“
  • «Ich kann mich gut in andere hineinversetzen und deswegen gut vermitteln.»

Der Geschichte, die du im Anschluss erzählst, um diese Aussage zu unterstreichen, wird der Recruiter gern zuhören. Sparst du dir die Pointe aber für das Ende deiner Antwort auf, weiss der Recruiter nicht, worauf du hinaus willst und denkt möglicherweise, du hättest die Frage nicht verstanden.

Erklär die Ausgangslage

Für jede Geschichte gilt: Vergiss nie, dass dein Gegenüber nur die Informationen hast, die du ihm lieferst. Der Recruiter kann nicht wissen, wie die Ausgangssituation aussah, wer beteiligt war, was von dir erwartet wurde und was für dich auf dem Spiel stand.

Schaff also einen Kontext, so dass dein Gesprächspartner sich ein lebhaftes Bild von der Situation machen kann und ein Gefühl für die Stimmung bekommt: So kann er deine Geschichte nicht nur besser nachvollziehen, sondern findet sie auch interessanter und hört dir lieber zu.

Beispiel: «Ich war gerade erst zwei Wochen als Hilfskraft am Institut und wollte dem Prof natürlich zeigen, was auf dem Kasten habe. Eines Tages sah ich, dass eine Professorin, auf die er sich immer in seinen Vorlesungen bezog, in der Stadt war und schlug vor, sie in seine Vorlesung einzuladen. Mein Prof war einverstanden, ich habe sie angeschrieben und sie sagte für den Gastvortrag zu...»

Mach die Herausforderung klar

Die Konfliktsituation in deiner Geschichte muss klar werden, damit der Recruiter deine Leistung bzw. Lösung auch als solche wahrnimmt. Versuch deshalb, kurz und prägnant in die Situation einzuführen.

Beispiel: «Kurz vor Weihnachten ging alles drunter und drüber. Die Hälfte der Mitarbeiter war schon im Urlaub und die wenigen, die noch da waren, steckten bis zum Hals in Arbeit. Ich war mit der kurzfristigen Organisation der Konferenz also weitgehend auf mich allein gestellt...»

Wieso, weshalb, warum?

Nachdem du die Situation skizziert hast, kannst du nun erklären, wie du ein Problem gelöst hast. Dies ist der wichtigste Teil, denn er bietet dir die Möglichkeit, dich, deine Fähigkeiten und deine Qualifikationen darzustellen – deshalb sollte er auch am meisten Raum einnehmen.

Achte darauf, dass du nicht zu oft “wir“ sagst – du sollst natürlich die Leistungen deines Teams honorieren, aber beim Gespräch geht es in erster Linie um dich. Sei deshalb nicht zu bescheiden, wenn es um deinen Anteil an der Problemlösung geht.

Beispiel: «Ich hielt den Vortrag in der aktuellen Situation für unverzichtbar. Also habe ich das Honorar ausgehandelt, einen Raum reserviert, Catering bestellt und die Veranstaltung über den E-Mail-Verteiler angekündigt...»

Und das Ende vom Lied…

So wichtig dein Umgang mit einer Situation auch ist – der Recruiter will natürlich auch wissen, welche Folgen dein Vorgehen hatte. Gib deiner Geschichte immer ein Ende! Wenn es um Misserfolge geht und es sich dementsprechend nicht um ein happy ending handelt, solltest du zusammenfassen, was du aus dieser Erfahrung gelernt und für die Zukunft mitgenommen hast. Perfekt wird es, wenn du das Story-Ende mit deinem Wunsch-Job verknüpfst!

Beispiel: «Leider sind nur sehr wenige Leute zur Veranstaltung erschienen. Ich hätte die Abteilungsleiter direkt ansprechen sollen – dann hätten sie ihre Mitarbeiter direkt aufgefordert, zur Veranstaltung einer anderen Abteilung zu kommen. Dieses Versäumnis war ziemlich unangenehm für mich, aber auch eine gute Lektion. Immerhin habe ich seitdem den Ruf, in Social Media sehr fit zu sein – wenigstens ein erfreulicher Nebeneffekt.»

Solltest du kein geborener Geschichtenerzähler sein, versuch, deine Antwort im Kopf kurz durchzugehen, bevor du loslegst: So war die Ausgangslage, das war das Problem, so habe ich die Sache gelöst, das waren die Auswirkungen. Wenn du dich an diese Struktur hältst und dich nicht in nebensächlichen Details verlierst, kann nicht viel schief gehen. Viel Erfolg!