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Für Karriere tu‘ ich alles!

Bereits an der Uni sprechen wir ständig von «Karriere». Das Konzept schwirrt uns im Kopfherum – obwohl die berufliche Laufbahn nicht einmal richtig...

  • 16. Februar 2020
  • 8 Min. Lesezeit
  • Max

Bereits an der Uni sprechen wir ständig von «Karriere». Das Konzept schwirrt uns im Kopfherum – obwohl die berufliche Laufbahn nicht einmal richtig begonnen hat. Anlass für Girls Drive, sich Gedanken rund um die Karriere zu machen: ob sie planbar ist, was für Opfer sie erfordert, ob sie Glück mit sich bringt. Und: Muss frau eigentlich ein Mann sein, um Karriere zu machen?

Text: Marisa Steiner

Die schnellste Gangart des Pferdes, der Galopp: So lautet die ursprüngliche Bedeutung des französischen Wortes carrière, von dem die Bezeichnung «Karriere» abstammt. Laut Wikipedia bezeichnet sie «die individuelle Laufbahn eines Menschen in seinem Berufsleben». Dies ist erst die halbe Wahrheit. Gemeinhin nimmt man das Wort erst in den Mund, wenn es auf der Leiter stetig nach oben geht, in rasantem Tempo. Und wenn auf jeder Stufe der Lohn, die Macht und der Status mit ansteigen.

Dieser ständige Aufwärtsgalopp strengt an, und nicht alle Gipfelstürmerinnen schaffen es an die Spitze. Deshalb ist Karriere oft anstrengend – und manchmal frustrierend. Die meisten angehenden Hochschulabsolventinnen wollen sich der Herausforderung dennoch stellen. Mehr als 90 Prozent der 30 von Girls Drive befragten HSG-Studentinnen bezeichnen ihre Karriere als wichtig bis sehr wichtig. Dabei haben viele kristallklare Ziele vor Augen. Eine BWL-Studentin beschreibt ihren Wunschverlauf so: «Beginn im Marketing bei einer Topbank, irgendwann Babypause, danach Wiedereinstieg im Private Wealth Management.» Eine andere plant: «Spätestens fünf Jahre nach Berufseinstieg möchte ich eine leitende Position in einem Grossunternehmen haben.»

Generation «Verplant»

Um solche Pläne zu verwirklichen, lassen Studierende bereits während der Ausbildungszeit nichts unversucht. Wir studieren nicht einfach nach vorgegebenem Plan, sondern absolvieren Praktika, reisen zu Auslandaufenthalten, engagieren uns extracurricular und vergleichen uns ständig mit unseren Kommilitoninnen und Kommilitonen. Das Ziel lautet: Unser CV und unsere «Employability» optimieren. Deshalb ist das Studium heute klarer Bestandteil der Karriere, während es früher mehr eine Periode davor war, die der Selbstentfaltung diente. Diese Entwicklung ist nicht nur positiv: Ängste, psychologische Probleme und gar Burnouts sind unter Heutigen Studierenden keine Seltenheit. Tatsache ist jedoch, dass wir gute Gründe haben, früh um die Karriere besorgt zu sein. Anders als unsere Eltern können wir nicht davon ausgehen, nach dem Abschluss mit Leichtigkeit einen Job zu finden. Der Arbeitsmarkt ist wesentlich härter geworden und die Konkurrenz zunehmend international.

Schon früh Pläne schmieden lohnt sich folglich. Trotzdem sind wir vielleicht naiv. Denn die berufliche Laufbahn verläuft kaum, wie wir es uns während des Studiums vorstellen. «Planen kann man die Karriere nicht. In meine besten Positionen wurde ich fast schon gezwungen, ich hatte sie nie angestrebt», meint zum Beispiel Susanne Müller-Zantop (56), Inhaberin einer Beratungsfirma. Diese Ansicht teilt die Mehrheit der Berufstätigen: In einer Befragung des Business-Netzwerks LinkedIn unter 7’000 Mitgliedern hielten zwei Drittel die Karriere für nicht planbar.

Selbstinszenierung als Erfolgsfaktor

Es lässt sich deshalb nicht folgern, besonders akribisch planende Studentinnen würden dereinst die Karriereleiter erklimmen. Planlos angehen sollten wir das Studium trotzdem nicht. Karriere ist nicht (nur) vom Zufall abhängig, sondern von Einsatz und Zielstrebigkeit. «Das Glück ist mit den Tüchtigen», wie die Redewendung so schön sagt. Wir dürfen uns jedoch auch nicht auf ein Karriereziel festbeissen, sondern müssen offen bleiben für nicht anvisierte Wege. Pläne beinhalten keine Garantie.

Den wesentlichen Einfluss auf den Karriereerfolg haben sowieso persönliche Charaktereigenschaften, wie vor allem emotionale Stabilität, Gewissenhaftigkeit, Teamgeist und Motivation, aber auch die Fähigkeit zur Selbstinszenierung. Letztere zahlt sich laut einer in der Zeitschrift Spiegel zitierten Untersuchung besonders aus. Die wichtigste Strategie ist demzufolge, Gutes zu tun – und darüber zu reden!

Verzicht auf Freizeit, Freunde, Familie

Eine erfolgreiche Karriere erfordert auch Opfer. Unweigerlich bringt dieses Ansinnen nämlich zweierlei mit sich: Dass man Dinge nicht tun kann, die man gerne tun würde – sowie umgekehrt, dass man Dinge tun muss, die einem widerstreben.

Im ersten Fall ist Karriere gleichbedeutend mit Verzicht. Verzicht auf Freunde, Freizeit, vielleicht auch auf den Traumjob. Unter Umständen Verzicht auf Partnerschaft, Ehe oder Kinder. «A career is wonderful, but you can’t curl up with it on a cold night», soll Marilyn Monroe gesagt haben. Neunzig Prozent der befragten Studentinnen teilen diese Ansicht: Für die Karriere möchten sie nicht auf eine Familie verzichten. Die Realität sieht jedoch anders aus. In einer deutschen Studie hatten nur 63 Prozent der befragten Managerinnen Kinder. Ein Grossteil lebte zudem in «ungewöhnlichen Partnerschaften», zum Beispiel mit getrennten Wohnorten. Viele Führungskräfte blickten deshalb «ernüchtert» auf ihre Laufbahn zurück.

Frauen sind (nicht) selber schuld

In diesem Zusammenhang kommt unweigerlich die Gender-Frage ins Spiel. Männer müssen sich bekanntermassen weniger Sorgen machen, Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bringen. In der zitierten Studie waren 95 Prozent der männlichen Manager auch Väter. Neben organisatorischen Problemen stehen Frauen hier vor einem kulturellen Problem: Die Ansicht ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet, Kinderbetreuung und Hausarbeit seien Frauensache.

Weshalb Frauen weniger oft Karriere machen, muss allerdings umfassender betrachtet werden: Denn natürlich haben wir unseren beruflichen Erfolg selbst in der Hand, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Die Ungleichheit ist bereits bei der Studienwahl vorprogrammiert. Frauen stellen inzwischen zwar über fünfzig Prozent der Immatrikulierten dar, studieren aus Karrieresicht jedoch oft das Falsche. Während sie in vielen Geisteswissenschaften in der Mehrheit sind, liegen Männer in den Fächern Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaften und Technik, den sogenannten MINT-Fächern, vorne. Im Bereich Wirtschaft vertiefen sich Frauen häufig auf kreativen Gebieten wie Marketing, Männer eher in Finanzen. Letzteres ist strategischer, weil der Weg in die Chefetage oft über die CFO-Position (Chief Financial Officer) führt.

Auch das Verhalten von Frauen kann ein Hindernis darstellen. Vielen Frauen fällt zum Beispiel Networking weniger leicht als ihren männlichen Kollegen. Susanne Müller-Zantop kritisiert in diesem Zusammenhang die mangelnde Fähigkeit, aus bestehenden Kontakten Geschäfte zu knüpfen. „Kürzlich war ich auf einer Konferenz. Bei Feierabend gingen die meisten Frauen müde aufs Zimmer, während die Männer miteinander sprachen!“ Ebenso ist das Selbstbewusstsein ein Merkmal, an dem es uns mangelt. Frauen stellen sich selbst gern in den Schatten und glauben, ihre Brillanz werde von anderen entdeckt. Männer hingegen scheuen sich nicht, ihre Leistungen zu betonen.

Erotisches Kapital – Karriere übers Bett?

Die Devise lautet also: Fleissig Kontakte pflegen und sich gut verkaufen! Hinzu kommt: Im Karrierewettstreit verfügen auch wir Frauen über geschlechtsspezifische Vorteile. Mit ihrer These des «erotischen Kapitals» hat Catherine Hakim, Professorin an der London School of Economics, für Wirbel gesorgt. Ihre Argumentation lautet: Für unsere Karriere setzen wir unser ökonomisches Kapital (Geld), soziales Kapital (Kontakte) und Humankapital (Ausbildung) mit vollem Einsatz ein. Aber wir scheuen uns – und das ist die Kritik –, auch unser erotisches Kapital, also unser Aussehen, zu Hilfe zu nehmen. Hakim gesteht in ihrem Buch «Honey Money: The Power of Erotic Capital» zwar ein, dass eine Leistungsgesellschaft auf Werte wie IQ, Qualifikationen und Erfahrung abstellen sollte. Doch sie kontert: In der Realität verhilft Schönheit zu mehr Überzeugungskraft. Damit fordert die Soziologin nicht, Frauen sollen sich auf ihren Sexappeal verlassen. Aber sie ruft dazu auf, das Aussehen bei der Selbstvermarktung im Berufsleben einzusetzen – genauso wie Männer auf ihre «Bier-Buddy-Kontakte» bauen. Diesen ruchlosen Beispielen kann man extreme anfügen, wie etwa die berühmt-berüchtigte Strategie des «Sich-nach-oben-Schlafens». Hier reagierten die allermeisten der von Girls Drive (zum Teil anonym) befragten Studentinnen ablehnend. Eine Jus-Absolventin der Uni Zürich meint: «Ich glaube nicht, dass kurze Röcke und ein tiefer Ausschnitt mir langfristig bei meinem beruflichen Fortkommen helfen». Eine andere Studentin räumt ein: «Grundsätzlich bin ich bereit, etwas zu schleimen, einmal eine Notlüge zu äussern oder jemandem schöne Augen zu machen. Aber ich möchte meine Karriere dereinst meinen Leistungen und nicht Betrügereien verdanken». Auch nach einer in der Zeitschrift Stern zitierten Studie wäre nur ein mageres Prozent der Frauen bereit, für die Karriere mit dem Chef ins Bett zu gehen.

Und wo bleibt das Glück?

Rekapitulation: Wir studieren, lernen, arbeiten und networken fleissig für unsere Karriere – also für ein vages Konzept ohne Erfolgsgarantie! Fragt sich: Lohnen sich die Opfer, wird uns die Karriere glücklich machen? Oder rennen wir hinter etwas her, was uns im Endeffekt nicht befriedigt? «Karriere ist das Opium der Rauschamputierten», analysiert der deutsche Philosoph Andreas Tenzer. Kommen wir darauf zurück, was «Karriere» bedeutet. Die anfängliche Definition, wonach damit ein Aufstieg auf der Hierarchie- und Einkommensleiter gemeint ist, stellt objektive Kriterien auf. Daneben hat jeder Mensch ein subjektives Bild, was eine erfolgreiche Laufbahn für ihn oder sie bedeutet. Hier kommen Faktoren wie Work-Life-Balance und Glück ins Spiel. Eine HSG-Studentin bezeichnet ihre Traumkarriere als «Konstellation, in der ich Erfolg im Leben, nicht nur im Beruf habe», eine andere als «Selbsterfüllung, was auch immer das ist».

Eine Studie hat zum Resultat: Frauen verzeichnen häufig einen hohen subjektiven und gleichzeitig tiefen objektiven Karriereerfolg. Also zum Beispiel eine Kombination aus viel Zufriedenheit und wenig Macht. «Die niederschmetternde Interpretation lautet: Frauen haben sich damit abgefunden, dass sie objektiv weniger erfolgreich Karriere machen als Männer, zimmern sich aber für das Gefühl etwas zurecht. Die positivere Variante lautet: Frauen sind stärker in der Lage, sich von den klassischen objektiven Erfolgsmassstäben zu lösen», so der Studien-Autor und BWL-Professor Wolfgang Mayrhofer in einem Interview.

Fazit? Die Frage nach dem Glücklichmachen kann nicht einfach beantwortet werden – das muss jede für sich selbst tun. Wichtig ist indes, dies möglichst früh zu tun und von Zeit zu Zeit aufs Neue zu hinterfragen.

Dieser Beitrag ist in der GIRLS DRIVE Ausgabe 1 (Frühling 2013) erschienen.