Pflicht oder Kür? Häufige Fragen im Vorstellungsgespräch

Auf dem Weg zum ersten Job sammeln die meisten Absolventen mehr Erfahrung mit Vorstellungsgesprächen, als ihnen lieb ist – was nicht selten daran l...

  • 9. Juni 2020
  • 6 Min. Lesezeit
  • Pascal Thommen
  • Sponsored by:   Allianz Suisse

Auf dem Weg zum ersten Job sammeln die meisten Absolventen mehr Erfahrung mit Vorstellungsgesprächen, als ihnen lieb ist – was nicht selten daran liegt, dass sie am Anfang einfach noch nicht wissen, was auf sie zukommt. Das betrifft sowohl die Situation als Ganzes als auch die Fragen im Speziellen. Auf einige Klassiker, die immer wieder gern ausgepackt werden, solltest du vorbereitet sein.

Eins gleich vorweg: Immer mehr Personaler rücken zunehmend von dem klassischen Fragenkatalog ab. Wie zu erwarten war, hat sich im Laufe der Jahre nämlich herumgesprochen, wie dieser aussieht, und immer mehr kluge Bewerbungsratgeber haben die «passenden» Antworten gleich mitgeliefert. Bekommt der Recruiter auf eine Frage aber immer die gleiche Antwort, ist ihre Funktion als Entscheidungsinstrument logischerweise dahin.

Auch wenn heute kaum noch die ganze Liste an Standardfragen runtergerattert wird, werden einzelne doch immer noch gern gestellt. Allerdings solltest du dich hüten, hier mit Antworten aus dem Bewerbungsratgeber von 1995 anzukommen – damit hast du dich nämlich ganz schnell disqualifiziert.

1. Erzählen Sie etwas über sich

Okay, das ist keine Frage, sondern eine Aufforderung. Aber wenn du dir überlegst, wie diese als Frage(n) aussehen würde, bist du schon auf dem richtigen Weg. Denn hier geht es nicht darum, deinen Lebenslauf aufzusagen – den hat der Personaler schon gelesen und beim Gespräch höchstwahrscheinlich vor sich liegen. Deine Qualifikationen scheinen ja zu stimmen, sonst wärst du nicht eingeladen worden.

Jetzt geht es wirklich um dich: Was bist du für ein Typ Mensch? Was hast du erlebt? Wie ist deine Einstellung zum Leben? Bist du eine offene, verbissene oder unsichere Person? Kurzum: Der Recruiter will wissen, ob du ins Team passt, ob du mit der Unternehmenskultur klarkommen würdest und nicht zuletzt, ob du dich ausdrücken kannst.

Erzähl also ganz offen und ehrlich, wie du bist und was dich ausmacht, was dir wichtig ist, was du magst und was weniger. Es ist wichtig, auch Negatives zu nennen. Wenn du dich darstellst, als seist du perfekt und dein Leben ein einziger Ponyhof, kommt das selbstverliebt und vor allem unglaubwürdig rüber. Dein Gegenüber weiss, dass jeder seine Fehler hat – ausserdem sind Ehrlichkeit und die Fähigkeit zur Selbstkritik gerade im Berufsleben wichtige und gern gesehene Eigenschaften.

2. Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?

Oder in 3, oder in 7. Welche Zahl auch immer dein Gesprächspartner nennt, es geht um deine Langzeitperspektive: Schliesslich willst nicht nur du planen, sondern auch das Unternehmen. Dafür ist es wichtig zu wissen, ob die Stelle für dich der Traumberuf, eine Notlösung oder irgendwas dazwischen ist. Hier solltest du im Vorfeld abwägen, wie du antwortest: Gibst du ehrlich an, dass du den Job von vornherein nur als Zwischenstation siehst, kann das natürlich ein Ausschlusskriterium sein. Vielleicht wird deine Offenheit aber auch positiv gewertet. Die Hauptsache ist, dass du dich erklärst, gegebenenfalls einen konkreten Zeitraum nennst und trotzdem Motivation und Lernbereitschaft zeigst.

Siehst du dich hingegen langfristig im Unternehmen, sag das auch direkt. In ein paar Jahren die Team- oder Abteilungsleitung anzustreben, zeugt von Geradlinigkeit und Ambition, ausserdem gibst du dem Unternehmen die Sicherheit, dass es auch langfristig mit dir planen kann. Solange deine Antwort nicht «Auf dem Chefsessel!» lautet, kannst du ruhig Ehrgeiz zeigen!

3. Arbeiten Sie lieber im Team oder eigenständig?

Entweder-oder-Fragen sind knifflig, denn in deiner Antwort solltest du keine der beiden Optionen ausschliessen.

Sag auch hier ehrlich, was dir mehr liegt und begründe es, am besten an Beispielen. Du bist seit Jahren im Fussballverein oder in der Theatergruppe? Verständlich, dass du dann auch Teamarbeit zu schätzen weisst. Oder verbringst du jede freie Minute mit deinem eigenen Blog und bist ein Meister der Selbstmotivation?

Umgekehrt wäre es natürlich fatal zu sagen, dass du Teamarbeit hasst oder alleine überhaupt nichts auf die Reihe bekommst. Alles eine Frage der Verpackung: «Ich bin im Team meist etwas zu zurückhaltend. Ich habe allerdings auch noch nicht allzu viele Erfahrungen in diesem Bereich, würde mich aber freuen, welche zu sammeln», klingt doch schon viel besser und zeigt Offenheit und Lernbereitschaft.

4. Was ist ihre grösste Schwäche?

Diese Frage solltest du unbedingt vorbereiten, denn spontan ist kaum eine so schwer zu beantworten. Und auch die Sache mit der Ehrlichkeit fällt an anderen Stellen deutlich leichter. Wenn du dir selbst die Frage nach deinen Schwächen ehrlich beantwortest, bist du schon fast am Ziel. Du musst dir nur noch überlegen, wie du optimal mit ihnen umgehst bzw. an ihnen arbeiten kannst. Dann hast du die perfekte Antwort für dein Vorstellungsgespräch.

Denk aber im Vorfeld wirklich gut darüber nach und vermeide abgedroschene Standardantworten wie «ich bin Perfektionist» oder «ich bin oft sehr ungeduldig» – die bringen Personaler höchstens zum Gähnen, aber bestimmt nicht dazu, dich einzustellen.

5. Warum haben Sie Ihren letzten Job aufgegeben?

Es ist jedem zu wünschen, dass der erste Job gleich der Volltreffer ist – die Realität sieht allerdings anders aus. Am Anfang des Berufswegs noch vergleichsweise oft den Job zu wechseln, ist vollkommen normal. Das weiss auch dein Gegenüber im Vorstellungsgespräch. Die Aufgaben lagen dir nicht? Du hast dich über- oder unterfordert oder im Betrieb einfach nicht wohl gefühlt? Dann sag das – natürlich immer möglichst neutral, anhand konkreter Beispiele und ohne zu lästern.

Der Umgang mit dieser Frage sagt viel über den Bewerber aus: Ist er ehrlich und gerade heraus oder druckst er herum? Ist er kritikfähig und kann differenzieren, oder ist er schnell beleidigt, weil er Dinge zu persönlich nimmt? Sucht er einen Job, in dem er sich wohlfühlen und einbringen kann, oder ist er einfach sprunghaft, weil er nicht weiss, was er will?

Sei ehrlich und steh zu eventuellen Fehlern, das macht sich sympathisch und zeugt von einem starken Charakter.

6. Warum sollten wir Sie einstellen?

Die Frage der Fragen, und für viele Bewerber der blanke Horror – besonders für solche, die sich nicht gerne selbst beweihräuchern und normalerweise eher tiefstapeln. Und tatsächlich ist die Kunst hier, sich zwar anzupreisen, dabei aber die Grenze zur Arroganz nicht zu überschreiten. Nutz diese Frage als eine Art Zusammenfassung: Heb deine relevanten Erfahrungen und deine guten Eigenschaften nochmals hervor. Besonders wichtig sind hier deine Alleinstellungsmerkmale und Fähigkeiten, die dich besser machen als andere Bewerber – komplett lautet die Frage nämlich: «Warum sollten wir Sie einstellen und nicht einen der anderen?»

Du bist der geborene Problemlöser, hast bereits Erfahrungen in dem betreffenden Geschäftsbereich oder bringst konkrete Ideen für die Entwicklung des Unternehmens mit? Perfekt, dann trau dich auch, das zu sagen. Das ist deine Chance, einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen – nutze sie!

Natürlich gibt es noch mehr Fragen, die im Bewerbungsgespräch auf dich zukommen können – indem du dich auf die oben genannten vorbereitest, dich dadurch nochmal intensiv mit deinem Lebenslauf auseinandersetzt und dir selbst klarmachst, welche Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften du mitbringst, um die Firma zu bereichern, bist du aber schon bestens gerüstet und kannst vor allem entspannter ins Vorstellungsgespräch gehen. Und jetzt hol dir den Job!